Der Finanzer (Andere Gedichte)
Wo der Inn mit hellen Fluthen Lustig aus Gebirgesenge Niederströmt in ebene Gaue Und in letztem Jugendträumen
Rauscht um ein behaglich Städtlein, Dort zu Rosenheim, welch Drängen, Welch ein Wettkampf hoher Häupter! Auch Gewaltige heutzutage Leiden unter Konkurrenten,
Und so streckt sein majestätisch Silbern Haupt der Wendelstein heut Unzufrieden übers Städtchen: Ob auch festlich drin die Menge Auf und niederwogt, kein Auge
Schickt wie sonst ihm frohe Blicke. Eines andern Majestät und Silberschimmernd Haupt bannt jeden: Kaiser Wilhelm ist gekommen, Er, der Greise, Nimmermüde,
Und des Reiches Paladine, Seiner Siege Schwert und Feder, Moltke und der große Kanzler. Und wen rings in Hof und Dörfern Diese Kunde traf, der eilte,
Sich die Helden zu beschauen, Die des Reiches Ring geschmiedet. Manch ein „Dirndel“ schreitet kräftig Durch die kranzgeschmückten Gassen, Keines aber stolzer, schlanker
Als das Walderinger Veverl – Frischer Mund und frisches Auge, Nur auf ihrer braunen Stirne Schattet’s wie von Unmuthswolken. Kaiser sah sie wohl und Kanzler,
Hat auch wacker „Hoch!“ geschrieen, Bloß den Moltke wies ihr keiner. Und doch hat sie grad „dös Miannl“ Schauen wollen, denn die Brüder Sepp und Hansei haben tapfer
Mitgekämpft im großen Kriege, Haben, heimgekehrt, gar manchmal Ihr erzählt vom alten Feldherrn Und der Sepp schloß stets bedeutsam: „Muasßt’n schau’n, dös is a Mannl!“
Jetzt blieb doch, was sie ersehnte, Unerfüllt und ach! sie kann nicht Ungestörte Umschau halten, Denn sie muß ein blondes Bürschchen Hüten, ihren jüngsten Bruder.
Ja, wenn’s möglich wär’, den Franzei Bei ’nem Menschen in der Nähe Auf ein Stündchen „einzustellen“! Wart – da drüben bei dem Hause Drin der Kaiser abgestiegen,
Steht ein würdevoller Alter, „So a freundli’s Mannsbild“, denkt sie; Der hat g’wiß vom Staat an Amterl, Denn er hat a saubers G’wandel, Wie an Uniform, der is wohl
Eisenbahner, is am Ende So ein mächtiger Finanzer. Raschen Schrittes geht das Veverl Zu ihm hin und sagt: „Finanzer, Sei so guat und b’halt dös Büaberl
Auf a kloane Stund’n bei Dir. Möcht’ ma nur den Moltke anschau’n.“ Sprichts, drückt dankbar im Enteilen Dem Finanzer noch ein Geldstück In die Hand und ist entschwunden.
Franzei sieht sich den Finanzer, Der Finanzer sich den Franz an; „Is mir völli fremd“ – denkt Franzei, „Was beginn’ ich?“ – denkt sein Hüter. Doch wo Alte klug erwägen,
Fährt dazwischen laute Jugend: Franzei bricht in dicke Thränen, Bricht in jene wirkungsvollen Laute aus, wie die Natur sie Für die Durchsetzung und Wahrung
Von berechtigten Int’ressen Wilden lieh und braven Kindern. Nun ist plötzlich dem Finanzer Klar geworden, was beginnen. An das Ohr des Tönereichen
Hält die Uhr er voll Erfahrung Und macht kunstvoll: „Ticktack, Ticktack!“ Franzei reibt sich erst die Augen, Horcht dann staunend auf das Wunder Und mit rothen Backen schmiegt er
Traulich schon sich an den Alten, Als das Veverl endlich auftaucht. Finster naht sie dem Finanzer: „Laß Diar’s guat san, daß D’ no doa bist – Koanen Menschen is mehr z’ trauen!
Haben’s nit in d’ Zeitung g’logen, Daß der Moltke kimmt, dia Schlankel’n, Dia soll’n dengerst Schtrix’n kriag’n.“ „Nun“, sagt freundlich da der Alte, „Lügen manchmal auch die Schlankel’n’
In der Zeitung, diesmal hat sie Wahr gesprochen, auch der Moltke Kam hierher und ist zu sehen.“ „Jessas, Jessas, Alpenrosen Von da schönst’n gab i leichtli,
Kunnt’ i nur dös Mannl sehg’n.“ „Gut, es sei!“ lacht der Finanzer, Schreibt im Flug in fremder Sprache Ein paar Worte auf ’ne Karte Und spricht zu dem braunen Veverl:
„Wenn Du dies so gegen neun Uhr Morgen früh dort drüben abgiebst, Wo der Kaiser wohnt, so zeigt man Sicher Dir ,dös alte Mannl’; Nur mußt Du die Alpenrosen
Nicht vergessen.“ Veverl mustert Prüfend das Gesicht des Alten, Endlich meint sie: „Will’s probieren. Aber dös, Finanzer, mark Dir, Hast mir g’log’n, b’hüat der Deixel
Deine Aug’n, denn so bin i, Seh’g i Di, i kratz Dir’s außi. Und da hast Du no a Zwanzgerl, Kauf a Moaßerl Dir im Hirschen, Nur sei g’scheit und trink koan Rausch nit. –
Franzei kumm, wir müssen hoamwärts!“
Sonnenglanz und Sommermorgen! Von dem Thurm des Städtchens schlägt es Neun Uhr jetzt – so träg und schläf’rig, Denkt das Veverl, als wenn’s keine
Eile gäbe, keinen Moltke. Rosig wie des Frühlichts Schimmer, In der Hand ’nen mächt’gen „Buschen“, Tritt sie zögernd in das Haus ein, Das ihr der Finanzer zeigte,
Und blickt scheu nach einem Helfer, Der die Karte ihr erklären, Ihr den Moltke weisen könnte. Schau, da naht sich wieder einer Mit ’ner Uniform, wie gestern
Der Finanzer, der muß helfen! Veverl knixt und reicht die Karte Stumm dem Fremden, der lacht freundlich, Als er rasch sie überflogen, Und führt Veverl in ein Zimmer.
„Will Dich gleich dem Marschall melden,“ Damit geht er, und dem Veverl Klopft das Herz und surrt das Köpfchen: „Wenn der Moltke iatzt daher käm’! Veverl, Veverl, wärst nit gang’n!“
Doch da ist auch ihr Begleiter Schon zurück und sagt: “Der Marschall Will Dich sehen; geh’ nur herzhaft Durch die Thür – dort drinnen ist er.“ Veverl thut’s, indessen hat sie
Kaum die Schwelle überschritten Läßt sie jäh den Buschen fallen Und ruft schreckensbleich: „O Jessas Maria und a bissel Josef, Der Finanzer! Werd’ i aufg’henkt?
O Herr General, verzeihen’s, Daß sie an Finanzer gleich seh’n!“ Doch der Marschall streckt ihr fröhlich Seine Hand hin und erwidert: „Wirst ,dös Mannl’ doch nicht fürchten?
Komm’, gieb mir den schönen ,Buschen’ Und nimm diesen Siegesthaler Als ein Zeichen, daß Du wirklich Heut den Moltke hast gesehen, Als Gedenkstück vom ,Finanzer’!“
Noch ein Händedruck des Marschalls Und das Veverl ist entlassen. Draußen, wo im Sonnenscheine Ihre Berge leuchtend winken, Wirft sie zu den Fenstern Moltkes
Einen letzten Blick hinüber, Denkt, was die zu Haus wohl sagen, Denkt an Sepp und spricht dann leise: „Is a woahr, dös is a Mannl!“
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:14 von 2rhyme
Autor: Die Gartenlaube
Quelle: de.wikisource.org
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