Der Stylit (Andere Gedichte)
DER STYLIT Völker schlugen über ihm zusammen, die er küren durfte und verdammen; und erratend, daß er sich verlor, klomm er aus dem Volksgeruch mit klammen
Händen einen Säulenschaft empor, der noch immer stieg und nichts mehr hob, und begann, allein auf seiner Fläche, ganz von vorne seine eigne Schwäche zu vergleichen mit des Herren Lob;
und da war kein Ende: er verglich; und der andre wurde immer größer. Und die Hirten, Ackerbauer, Flößer sahn ihn klein und außer sich immer mit dem ganzen Himmel reden,
eingeregnet manchmal, manchmal licht; und sein Heulen stürzte sich auf jeden, so als heulte er ihm ins Gesicht. Doch er sah seit Jahren nicht, wie der Menge Drängen und Verlauf
unten unaufhörlich sich ergänzte, und das Blanke an den Fürsten glänzte lange nicht so hoch hinauf. Aber wenn er oben, fast verdammt und von ihrem Widerstand zerschunden,
einsam mit verzweifeltem Geschreie schüttelte die täglichen Dämonen: fielen langsam auf die erste Reihe schwer und ungeschickt aus seinen Wunden große Würmer in die offnen Kronen
und vermehrten sich im Samt.
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:22 von 2rhyme
Autor: Rainer Maria Rilke
Quelle: de.wikisource.org
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