Prinzessin Sabbath (Andere Gedichte)
Prinzessin Sabbath. In Arabiens Mährchenbuche Sehen wir verwünschte Prinzen, Die zu Zeiten ihre schöne Urgestalt zurückgewinnen:
Das behaarte Ungeheuer Ist ein Königssohn geworden; Schmuckreich glänzend angekleidet, Auch verliebt die Flöte blasend. Doch die Zauberfrist zerrinnt,
Und wir schauen plötzlich wieder Seine königliche Hoheit In ein Ungethüm verzottelt. Einen Prinzen solchen Schicksals Singt mein Lied. Er ist geheißen
Israel. Ihn hat verwandelt Hexenspruch in einen Hund.
Hund mit hündischen Gedanken, Kötert er die ganze Woche Durch des Lebens Koth und Kehricht,
Gassenbuben zum Gespötte. Aber jeden Freitag Abend, In der Dämmrungstunde, plötzlich Weicht der Zauber, und der Hund Wird aufs Neu’ ein menschlich Wesen.
Mensch mit menschlichen Gefühlen, Mit erhobnem Haupt und Herzen, Festlich, reinlich schier gekleidet, Tritt er in des Vaters Halle. „Sei gegrüßt, geliebte Halle
Meines königlichen Vaters! Zelte Jakob’s, Eure heil’gen Eingangspfosten küßt mein Mund!“ Durch das Haus geheimnißvoll Zieht ein Wispern und ein Weben,
Und der unsichtbare Hausherr Athmet schaurig in der Stille.
Stille! Nur der Seneschall (Vulgo Synagogendiener) Springt geschäftig auf und nieder,
Um die Lampen anzuzünden. Trostverheißend goldne Lichter, Wie sie glänzen, wie sie glimmern! Stolz aufflackern auch die Kerzen Auf der Brüstung des Almemors.
Vor dem Schreine, der die Thora Aufbewahret, und verhängt ist Mit der kostbar seidnen Decke, Die von Edelsteinen funkelt – Dort an seinem Betpultständer
Steht schon der Gemeindesänger; Schmuckes Männchen, das sein schwarzes Mäntelchen kokett geachselt. Um die weiße Hand zu zeigen, Haspelt er am Halse, seltsam
An die Schläf’ den Zeigefinger, An die Kehl’ den Daumen drückend.
Trällert vor sich hin ganz leise, Bis er endlich lautaufjubelnd Seine Stimm’ erhebt und singt:
Lecho Daudi Likras Kalle! Lecho Daudi Likras Kalle – Komm’, Geliebter, deiner harret Schon die Braut, die dir entschleiert Ihr verschämtes Angesicht!
Dieses hübsche Hochzeitcarmen Ist gedichtet von dem großen, Hochberühmten Minnesinger Don Jehuda ben Halevy. In dem Liede wird gefeiert
Die Vermählung Israels Mit der Frau Prinzessin Sabbath, Die man nennt die stille Fürstin. Perl’ und Blume aller Schönheit Ist die Fürstin. Schöner war
Nicht die Königin von Saba, Salomonis Busenfreundin,
Die, ein Blaustrumpf Aethiopiens, Durch Esprit brilliren wollte, Und mit ihren klugen Räthseln
Auf die Länge fatigant ward. Die Prinzessin Sabbath, welche Ja die personifizirte Ruhe ist, verabscheut alle Geisteskämpfe und Debatten.
Gleich fatal ist ihr die trampelnd Declamirende Passion, Jenes Pathos, das mit flatternd Aufgelöstem Haar einherstürmt. Sittsam birgt die stille Fürstin
In der Haube ihre Zöpfe; Blickt so sanft wie die Gazelle, Blüht so schlank wie eine Addas. Sie erlaubt dem Liebsten alles, Ausgenommen Tabakrauchen –
„Liebster! rauchen ist verboten, Weil es heute Sabbath ist.
„Dafür aber heute Mittag Soll dir dampfen, zum Ersatz, Ein Gericht, das wahrhaft göttlich –
Heute sollst du Schalet essen!“ Schalet, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium! Also klänge Schiller’s Hochlied, Hätt’ er Schalet je gekostet.
Schalet ist die Himmelspeise, Die der liebe Herrgott selber Einst den Moses kochen lehrte Auf dem Berge Sinai, Wo der Allerhöchste gleichfalls
All die guten Glaubenslehren Und die heil’gen zehn Gebote Wetterleuchtend offenbarte. Schalet ist des wahren Gottes Koscheres Ambrosia,
Wonnebrod des Paradieses, Und mit solcher Kost verglichen
Ist nur eitel Teufelsdreck Das Ambrosia der falschen Heidengötter Griechenlands,
Die verkappte Teufel waren. Speist der Prinz von solcher Speise, Glänzt sein Auge wie verkläret, Und er knöpfet auf die Weste, Und er spricht mit sel’gem Lächeln:
„Hör’ ich nicht den Jordan rauschen? Sind das nicht die Brüßelbrunnen In dem Palmenthal von Beth-El, Wo gelagert die Kameele? „Hör ich nicht die Heerdenglöckchen?
Sind das nicht die fetten Hämmel, Die vom Gileath-Gebirge Abendlich der Hirt herabtreibt?“ Doch der schöne Tage verflittert; Wie mit langen Schattenbeinen
Kommt geschritten der Verwünschung Böse Stund’ – es seufzt der Prinz.
Ist ihm doch als griffen eiskalt Hexenfinger in sein Herze. Schon durchrieseln ihn die Schauer
Hündischer Metamorphose. Die Prinzessin reicht dem Prinzen Ihre güldne Nardenbüchse. Langsam riecht er – Will sich laben Noch einmal an Wohlgerüchen.
Es kredenzet die Prinzessin Auch den Abschiedstrunk dem Prinzen – Hastig trinkt er, und im Becher Bleiben wen’ge Tropfen nur. Er besprengt damit den Tisch,
Nimmt alsdann ein kleines Wachslicht, Und er tunkt es in die Nässe, Daß es knistert und erlischt.
Eingetragen am 08.11.2011 09:34:48 von 2rhyme
Autor: Heinrich Heine
Quelle: de.wikisource.org
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