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Der neue Kurs (Andere Gedichte)

Der neue Kurs.

(1891.)

Was auch der Mann im Sachsenwald mag sagen –
Es geht doch vorwärts in der neuen Zeit.
Die jetzt regieren – nennt ihr sie geschlagen
Etwa mit Trägheit, mit Unfruchtbarkeit?

Ist nicht der größte Theil von ihren Tagen

Gesetzentwürfen jeder Art geweiht?
Und eine Lüge ist’s, – bei meiner Seele! –
Daß der „verbindende Gedanke“ fehle.

Ob sie nun ein Patentgesetz verlangen

Zu Schutz und Schirm für jegliches Genie,

Ob sie auf andre Branntweinsteuer drangen,
Im Hinblick auf die Schnaps-Epidemie,
Ob man durch Paragraphen sucht zu fangen
Die Kellerkünstler in der Wein-Chemie –

Das Handwerk sucht auf allen diesen Wegen

Doch nur den – Volksverführern man zu legen.

Ob man die Zuckersteuer reformire,
Wenn schon die Meute der Agrarier bellt,
Ob jedem der Herrn Unteroffiziere

Man mild in Aussicht eine Prämie stellt –

Zweck ist, daß sich das Volk emanzipire
Und sich zu den Verführten nicht gesellt.
Es schirmt sogar die Schlacht- und Ausfallsflotte
In letzter Linie uns – vor Bebel’s Rotte.

Ob jeden Zwist mit England klug man schlichtet

Durch den Erwerb der Insel Helgoland,
Ob eine deutsche Truppe man errichtet
Aus schwarzem Volk am afrikan’schen Strand,
Ob man durch Pump sich finanziell verpflichtet

Für Kamerun und ob als Unterpfand

Man den Ertrag der Zölle angeboten –
Der Abwehr gilt es wider unsre Rothen.

Daß international fortan geregelt
Der Frachtverkehr auf allen Bahnen sei;

Daß ungestört der biedre Deutsche segelt

Und dampft in jeden Hafen der Türkei,
Und daß der Türke mit dem Deutschen kegelt
Und einen Anlauf nimmt zur Kneiperei –
Man spielt, wenn die Verträge abgeschlossen,

Dem Wilhelm Liebknecht einen bösen Possen.


Gewiß, die Herren sind profunde Denker
Von freiem, klarem, unbeirrtem Geist.
Das ist es ja, wofür den Staatenlenker
Am höchsten man in unsern Tagen preist,

Wenn er des Volksgemüths frivolem Henker

Das Handwerk legt und ihm die Zähne weist.
Hier macht der Staatsmann seine großen Treffer,
Hier liegt der Hase eigentlich im Pfeffer.

Der Staatsmann braucht des weiten Blickes Gabe,

Wenn nieder er Gesetzentwürfe schreibt,

Damit er ab den Volksbethörern grabe
Das Wasser all, das ihre Mühlen treibt;

Damit man einst an seinem stillen Grabe

Mit Fug und Recht bei diesem Lobe bleibt:

„Bei seinem Tod war Jedermann zufrieden

Und froh des Looses, das ihm Gott beschieden.“

Ist es erlaubt vielleicht, daß man bescheiden
In dieser Hinsicht einen Vorschlag macht?
Man weiß, es wird nur an des Volkes Leiden

Und ihre Lindrung in Berlin gedacht –

Hier könnte man den Lebensnerv durchschneiden
Der Hetzerei, die so viel Haß entfacht.
In dem Gesetz – der Kornzoll ist sein Titel –
Liegt das patenteste der Abwehrmittel!



Eingetragen am 08.11.2011 09:33:18 von 2rhyme
Autor: Rudolf Lavant
Quelle: de.wikisource.org
Weitere Informationen unter: http://de.wikisource.org



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