Heilige Nacht (Andere Gedichte)
Heilige Nacht. Von Otto Sievers. Ahnungsfrohe Stille waltet, Und herauf in hehrer Schöne Zieht die Nacht: andächtig grüßen Sie vom Thurm der Glocken Töne,
Und die Windsbraut, welche tosend Fegte schneebehang’ne Hügel – Solche Klänge sanft zu tragen, Senkt sie friedlich ihre Flügel. Sieh’, der Himmel ließ erschimmern
Seine ewigen Demanten, Und in Hütten und Palästen Lichter ohne Zahl entbrannten, Und die Nacht, sie ward zum Tage: Heller noch als tausend Kerzen,
Freude strahlt aus jungen, alten Kinderaugen, Kinderherzen. Denn in dieser Nacht alljährlich Wird die Kindheit neu geboren. Wenn ihr nicht zu Kindern werdet,
Seid ihr diesem Fest verloren. Drum, was alt und kalt, laßt draußen, Frost beim Frost im Winterschein: Heute sollen jung die Greise, Alle sollen Kinder sein.
Und in dieser Nacht alljährlich Wird die Liebe neu geboren, Und enterbter Brüder denket, Wen das Glück zum Sohn erkoren, Und was abgedarbt der Arme
Sich im Werkeltagsgetriebe, Wandelt er in kleine Gabe, Bringt’s zum Opfer seiner Liebe. Ja, in dieser Nacht alljährlich Wird die Liebe neu geboren,
Die die Welt erlös’t vom Fluche – Frohe Botschaft, unverloren! Leuchtet heller auf, ihr Kerzen, Heller flamme, Sternenpracht, Voller tönet, Glockenklänge:
Hosianna, heil’ge Nacht!
Eingetragen am 08.11.2011 09:34:02 von 2rhyme
Autor: Die Gartenlaube
Quelle: de.wikisource.org
Weitere Informationen unter: http://de.wikisource.org
|