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Der Ex-Nachtwächter (Andere Gedichte)


 Der Ex-Nachtwächter.

Mißgelaunt, sagt man, verließ er
Stuttgart an dem Neckarstrand,
und zu München an der Isar
Ward er Schauspiel-Intendant.
 

Das ist eine schöne Gegend

Ebenfalls, es schäumet hier,
Geist- und Phantasie-erregend,
Holder Bock, das beste Bier.
 
Doch der arme Intendante,

Heißt es, gehet dort herum

Melancholisch wie ein Dante,
Wie Lord Byron gloomy, stumm.
 
Ihn ergötzen nicht Comödien,
Nicht das schlechteste Gedicht,

Selbst die traurigsten Tragödien

Lies’t er – doch er lächelt nicht.
 

Manche Schöne möcht’ erheitern

Dieses gramumflorte Herz,
Doch die Liebesblicke scheitern

An dem Panzer, der von Erz.

 
Nannerl mit dem Riegelhäubchen
Girrt ihn an so muntern Sinns –
Geh’ in’s Kloster, armes Täubchen,
Spricht er wie ein Dänenprinz.
 

Seine Freunde sind vergebens

Zu erlust’gen ihn bemüht,
Singen: Freue dich des Lebens,
Weil dir noch dein Lämpchen glüht!
 
Kann dich nichts zum Frohsinn reizen

Hier in dieser hübschen Stadt,

Die an amüsanten Käuzen
Wahrlich keinen Mangel hat?
 
Zwar hat sie in jüngsten Tagen
Eingebüßt so manchen Mann,

Manchen trefflichen Choragen,

Den man schwer entbehren kann.
 

Wär’ der Maßmann nur geblieben!

Dieser hätte wohl am End’
Jeden Trübsinn dir vertrieben

Durch sein Burzelbaumtalent.

 
Schelling, der ist unersetzlich!
Ein Verlust vom höchsten Werth!
War als Philosoph ergötzlich
Und als Mime hochgeehrt.
 

Daß der Gründer der Walhalla

Fortging und zurücke ließ
Seine Manuscripte alle,
Gleichfalls ein Verlust war dies!
 
Mit Corneljus ging verloren

Auch des Meisters Jüngerschaft;

Hat das Haar sich abgeschoren,
Und im Haar war ihre Kraft.
 
Denn der kluge Meister legte
Einen Zauber in das Haar,

Drin sich sichtbar oft bewegte

Etwas, das lebendig war.
 

Todt ist Görres, die Hyäne.

Ob des heiligen Offiz
Umsturz quoll ihm einst die Thräne

Aus des Auges rothem Schlitz.

 
Dieses Raubtier hat ein Sühnchen
Hinterlassen, doch es ist
Nur ein giftiges Kaninchen,
Welches Nonnenfürzchen frißt.
 

Apropos! Der erzinfame

Pfaffe Dollingerius –
Das ist ungefähr sein Name –
Lebt er noch am Isarfluß?
 
Dieser bleibt mir unvergeßlich!

Bei dem reinen Sonnenlicht!

Niemals schaut’ ich solch ein häßlich
Armesünderangesicht.
 
Wie es heißt, ist er gekommen
Auf die Welt gar wundersam,

Hat den Afterweg genommen,

Zu der Mutter Schreck und Scham.
 

Sah ihn am Charfreitag wallen

In dem Zug der Prozession,
Von den dunkeln Männern allen

Wohl die dunkelste Person.

 
Ja, Monacho Monachorum
Ist in unsrer Zeit der Sitz
Der Virorum obscurorum,
Die verherrlicht Huttens Witz.
 

Wie du zuckst beim Namen Hutten!

Ex-Nachtwächter, wache auf!
Hier die Pritsche, dort die Kutten,
Und wie ehmals schlage drauf!
 
Geißle ihre Rücken blutig,

Wie einst tat der Ullerich;

Dieser schlug so rittermuthig,
Jene heulten fürchterlich.
 
Der Erasmus mußte lachen
So gewaltig ob dem Spaß,

Daß ihm platzte in dem Rachen

Sein Geschwür und er genas.
 

Auf der Ebersburg desgleichen

Lachte Sickingen wie toll,
Und in allen deutschen Reichen

Das Gelächter wiederscholl.

 
Alte lachten wie die Jungen –
Eine einz’ge Lache nur
War ganz Wittenberg, sie sungen
Gaudeamus igitur!
 

Freilich, klopft man faule Kutten,

Fängt man Flöh’ im Ueberfluß,
Und es mußte sich der Hutten
Manchmal kratzen vor Verdruß.
 
Aber alea est jacta!

War des Ritters Schlachtgeschrei,

Und er knickte und er knackte
Pulices und Klerisei.
 
Ex-Nachtwächter, Stundenrufer,
Fühlst du nicht dein Herz erglühn?

Rege dich am Isarufer,

Schüttle ab den kranken Spleen.
 

Deine langen Fortschrittsbeine,

Heb’ sie auf zu neuem Lauf –
Kutten grobe, Kutten feine,

Sind es Kutten, schlage drauf!

 
Jener aber seufzt, und seine
Hände ringend er versetzt:
Meine langen Fortschrittsbeine
Sind Europamüde jetzt.
 

Meine Hühneraugen jücken,

Habe deutsche enge Schuh’,
Und wo mich die Schuhe drücken,
Weiß ich wohl – laß mich in Ruh’!



Eingetragen am 08.11.2011 09:33:13 von 2rhyme
Autor: Heinrich Heine
Quelle: de.wikisource.org
Weitere Informationen unter: http://de.wikisource.org



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