Ausflug nach Tirol (Andere Gedichte)
AUSFLUG NACH TIROL Kann man das Jodeln wohl In meinem Alter lernen? Nie war, wie in Tirol, Ich derart nah den Sternen.
Ich sah vom Stripsenjoch Drüben an steiler Wand Leute aufs Totenkirchl kraxeln, Wahrscheinlich Sachseln Aus Hosenträgerland.
Aber kühn und schön war es doch. Was ich um Hochwürden dann Später in Sankt Johann Sang, lebte und sprach in der „Post“, Schmeckte wie Herz am Rost
Nach ausgegangener Hochtouristenkost. Alm und Kuhstall, fette Weiden, Bärenwirt und Sennerin – Wo ich durchgegangen bin, Schien mir alles zum Beneiden.
Nur die Wandervögel, die Einem jede Poesie Und den Appetit verleiden, Mocht ich meiden.
Alle Tiroler sind Keine Amerikaner. Wäre ich eine Mutter mit Kind, Ich nährte mein Kind mit Terlaner. Im Kursalon in Kitzbühel Da ist des Nachts der Sekt so kühel.
Ich muß die Gäste loben, Die zur Musik dort oben So vornehm tanzen und schweigen, Um ja nicht mehr zu zeigen Als ihre hochmodernen Garderoben.
Ich möchte ein wilder Gebirgsbach sein, Klar, schäumend, rauschend und blinkend, Unhaltsam kämpfend von Stein zu Stein Mich an mir selber betrinkend. Daß ich mein Kragenknöpfchen verlor,
Kommt schließlich auch einmal anderwärts vor. Du, mein einziges Tirol, Lebe wohl! Lebe wohl!
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:02 von 2rhyme
Autor: Joachim Ringelnatz
Quelle: de.wikisource.org
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