Gesellenstück (Andere Gedichte)
Gesellenstück Mahagoni und Eiche furniert. Deckel sauber scharniert. Alle Bretter gefedert, gespundet. Die Ecken fein weich gerundet.
Die Seitenwände mit tiefgeschnitzten Weintrauben und Schellfischen geziert. Das war bei Weber in Osnabrück Mein Gesellenstück. Selbst Wasmann und Peter sagten 1910:
Solch einen Sarg hätten sie noch nie gesehn. Ohne mich zu rühmen. Das soll einer machen. Und dabei alles selber gemacht. Die Griffe kupfergeschmiedete Drachen, Die Füße gedrechselt (((Acht, sacht, Pracht, lacht, gedacht))),
Auf den Deckel in Rundschrift fein säuberlich Eingebrannt: „Sarg für Frau (Doppelpunkt Strich)“. Inwendig ein roßhaargepolstertes Bett, Rosa Pünktchen auf Gelb-Violett. Ich habe manchmal des Studiums wegen
Vierundzwanzig Stunden darin gelegen. Da war ein durch schöne Bilder verdecktes Speiseregal zur linken Hand, Wo Camembert, Zwieback und Butter stand Und Trockengemüse und Eingewecktes. –
Auf den leisesten Druck mit der Zehe im Schlaf Löste sich zu Fußende ein Kinematograph Und zeigte abwechselnd „Brudermord“ Und „Torpedoangriff an Steuerbord“. Alle zwei Stunden von selbst automatisch
Spielte ein Grammophon ganz zart: „Ich bin der Doktor Eisenbart.“ Außerdem roch es dort sehr sympathisch Nach Moschus, Kampfer und kalter Küche. Von wegen die Leichengerüche.
Und dann die Technik und das Komfort: Kalender, das Telephon rechts am Ohr, Glühbirnen und Klingeln. Ein tolles Gewirr. Auch ein kleines, versilbertes Nachtgeschirr. – Und Wasserstandglas und Thermometer.
Kurz, herrlich! herrlich! – Wasmann und Peter Hätten mir glattweg fünftausend Mark
Und doppelt soviel gezahlt für den Sarg. Und das war damals ein Geld, wenn man’s denkt. Aber ich hänge nicht so am Golde. –
Und so hab ich ihn dann meiner Tante Isolde Zum 70. Geburtstag geschenkt.
Eingetragen am 08.11.2011 09:34:00 von 2rhyme
Autor: Joachim Ringelnatz
Quelle: de.wikisource.org
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