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Kain (Andere Gedichte)

KAIN
     1911

Eure geballten Fäuste schrecken mich nicht,
noch eure strengen, satzunggebundenen Ruten.
Ihr – ich erkenn’ es – seid die Gerechten und Guten,
und nur euch strahlt lächelnd das Sonnenlicht.

Speit mich an! Verachtet mich! Werft mich mit Steinen!

Zeigt euern Kindern mein häßliches Gottesmal!
Lehrt sie, daß ich ihn erschlug, den vortrefflichen Abel,
meinen Bruder, erkeimt an dem nämlichen Nabel!
Lehrt sie mich hassen, um meine Niedrigkeit greinen!

Heißt sie Gott fürchten und seinen Rachestrahl! . . .


Ach, wie war er so fromm, so zufrieden und brav!
Betend kniet’ er inbrünstig vor Gottes Altar,
dankend des Herrn allumfangender Güte.
Aber ich, ein Zweifelnder ganz und gar,

sah, wie der Blitz in ragende Bäume traf,

sah junges Leben zerknicken in hoffender Blüte,
wanderte einsam und sann allem Werden nach. –
Und ich sah, wie der Bruder Reiser vom Strauche brach,
junge grünende Reiser vom sprießenden Strauch;

wie er sie zärtlich zum Scheiterhauf schichtete,

wie er ein unschuldig Lamm zur Opferstatt trug,
sah, wie aus Steinen ein Funk in das Reisigwerk schlug.
Auf zum Himmel stieg säulengrade der Rauch,
rot von der Glut, die zitternd die Erde belichtete.

Gräßlich hört’ ich des Lamms Blöken und Angstgeschrei. –

Abel, mein Bruder, sang freudige Lieder dabei.
„Sieh, wie mein Opfer gefällt!“ rief er mir zu.
„Aufrecht lodert die Flamme zum Himmel. Sieh!
Siehe den Lohn! Dem Herrn sei ewiger Dank!

Sieh meine fetten Weiden, mein munteres Vieh! –

Deine Früchte sind welk, deine Lämmer krank.
Spende dem Schöpfer! Kain, opfre auch du!“ – –
Da sah ich Abels Feld üppig in Ähren stehn
und seine Herde lustig im Grünen weiden.

Aber mein Acker war kahl und trocken und steinigt.

Dürsten sah ich mein Vieh und Entbehrung leiden.
Kann es – so dacht ich – durch Gottes Ratschluß geschehn,
daß sich der Boden entsteint, daß das Wasser sich reinigt,

soll meines Feuers Rauch gleichfalls zum Himmel steigen.

Kann Gott Gnaden verleihen, mag er sie zeigen! –
Und ich sammelte mürbes Holz von der Erde,
weil ich den lebenden Zweigen nicht wehtun wollte;

und dann wählt ich aus meiner armseligen Herde

ein vom Leben zerbrochenes krankes Rind,
daß es der Schöpfer als Opfer empfangen sollte.
Schlafend lag es und träg. So stach ich es nieder,
trug’s zum Altar und entflammte die trockenen Scheite.

Aber in meiner Kehle stockten die Lieder. –

Knisternd bog sich das Holz. Da erhob sich ein Wind,
fauchte mit boshaftem Zischen hinein in den Qualm.
Unförmig wälzte der dicke Rauch sich zur Seite
und erstickt meines Ackerlands dürftigen Halm. –

Abel, mein Bruder, stand nahe und sah mich knien,

sah, wie mein glühendes Auge im Zorn sich weitete,
weil das Opfer, das ich dem Herrn bereitete,
nicht wie seines hinauf in den Äther drang,
sah den schlängelnden Rauch sich kriechend verziehn.

„Kain," rief er, „mir ist um deine Seele bang.

Bessere Opfer mußt du dem Gotte bringen!
Lieder des Danks und der Freude mußt du ihm singen!
Junge Zweige mußt du vom Strauche brechen!
Junge, gesunde Lämmer mußt du Gott schlachten!

Junges, warmes Blut muß himmelwärts dampfen!

Aus deinem Reichtum mußt du zu opfern trachten!
Wenn sich die Menschen dem Herrn zu trotzen erfrechen,
wird er sie richten und ihre Saaten zerstampfen!“
Auf sprang ich da und griff an die Gurgel dem Spötter.

Winselnd wand sich der Qualm im Sturmesgeheule.

„Junges Blut will dein Herr? – So soll er es haben!
Folge du nach deinen wohlgefälligen Gaben!
Grüß mir mein armes Rind! – und grüß Deine Götter!“ –
Und ich erschlug den Bruder mit wuchtender Keule. –

Mächtig dehnte sich meine Brust und ich hob

gegen den Himmel die Faust und schwenkte sie drohend.
Doch aus der Opferglut, die gewirbelt stob,
riß der Sturm einen Splitter und jagte ihn lohend
mir an die Stirn. Ich sank mit furchtbarem Schrei,

daß ich im weiten Umkreis die Menschen weckte,

nieder. Es schrieen die Rinder. Der Himmel dröhnte
donnernd, während im Staube die Glut verreckte. –
Aber schon eilten jammernde Menschen herbei.
Ich entfloh, von Schmerzen gehetzt, daß ich stöhnte.

Hinter mir gellten die Racheflüche der Hirten.

Alle verlangten den Brudermörder zu steinigen,
mich zu entsetzlichem Tode langsam zu peinigen.
Vorwärts stürzte mein Fuß, daß die Felsen klirrten . . .
Immer noch flieh ich dem Zorn der Menschengemeinde.

Unstet und rastlos irr ich von Ort zu Ort.

Doch mein Mal an der Stirn, vom Scheite gebrannt,
allüberall verrät’s mich dem lauernden Feinde.
Allüberall treibt mich sein Racheruf fort.
Von den Stätten der Menschheit bin ich verbannt.

Darbend fahr ich durchs Land, vogelfrei.

Doch, wo ein Rauch sich senkrecht zum Himmel hebt,
wo zufriedene Menschen sich dankbar beugen, –
ah! – da schleich ich mit krummem Rücken vorbei,
kralle die Hand, die vom Blute des Bruders klebt,

heiße mein Feuermal gegen die Menschheit zeugen! –

Opfert ihm nur, dem Gott der Gerechten und Guten,
der eure Hütten mit köstlichen Früchten füllt,
der euern Leib mit wärmenden Fellen umhüllt!
Junge Lämmer laßt ihm zum Preise bluten!

Danket für euern Reichtum dem Gotte der Reichen!

Und verschließt vor dem Hunger des Armen die Scheuer!
Wen Gott haßt, den mögt ihr richten als Schlechten!
Was euer Gott auf den Feldern gedeihen laßt, ist euer!
Ihr nur seid wert, dem Ebenbild Gottes zu gleichen!

Aber auf mich ergieß sich der Zorn der Gerechten! – –

Kommt! Ich fürcht mich nicht mehr! Hier steh ich zum Kampf!

Eure geballten Fäuste schrecken mich nicht!
Brudermörder ihr selbst – und tausendfach schlimmer!

Aus euerm Scheiterhauf raucht meines Herzbluts Dampf.

Trag ich so gut als ihr nicht Menschengesicht?
Aufrecht steh ich vor euch und fordre mein Teil! . . .
Gebt mir Freiheit und Land! – und als Bruder für immer
kehrt euch Kain zurück, der Menschheit zum Heil!



Eingetragen am 08.11.2011 09:34:15 von 2rhyme
Autor: Erich Mühsam
Quelle: de.wikisource.org
Weitere Informationen unter: http://de.wikisource.org



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