RETABLIEREN (Andere Gedichte)
Weihnacht vorbei, verrauscht das Fest, längst abgezogen auch die Gäst’, Papier entsorgt, drei Körbe prall, gesondert: Plastic, Glas, Metall… Noch steht der Baum, doch ohne Sinn; stummt abgetakelt vor sich hin. Voll dunkler Ahnung, desperat, fühlt er: Ein böses Ende naht. Dann lässt St. Stephan friedlich grüssen und gönnt uns ein paar Tage Ruh’. Das Altjahr liegt mir nun zu Füssen wie ausgetret’ne Wanderschuh. Da liegen sie, zwei Kameraden, treulos verlassen auf dem Flur: Arg strapaziert und spröd das Leder, und nicht gepflegt, das sieht ein jeder: An Fels und Eis die Haut zerschunden, nebst alten Narben frische Wunden. Die Sohle auch ist sehr beredt, und hier wird’s ziemlich rasch konkret. Denn nebst dem Dreck aus Littiwil klebt halb Europa im Profil: Vom Napf noch eine Prise Kuhdung, da schwarzer Russ aus Verduns Festung, von Pommerns Küste heller Sand, der dunkle kommt aus Burgenland. Vom Elsass droht ein Rosendorn, dies Steinchen stammt vom Matterhorn. Da schaffen wir jetzt Remedur mit einer Antiaging-Kur. Erst muss der Dreck weg, radikal, mit Bürste unterm Wasserstrahl; drauf Altersflecken und Blessuren zu Leibe rücken mit Tinkturen; Und nach dem Trocknen: schmieren fetten. Ich glaub, die Stiefel sind zu retten!
Markus Bürki
Eingetragen am 20.12.2011 18:30:20 von Markus Bürki
Autor: Markus Bürki, Schlosswil CH-3082
Quelle: Eigenes Gedicht
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