Den Siegestrunknen (Andere Gedichte)
Den Siegestrunknen. Frühjahr 1871 Vorüber ist der harte Strauß, Der welsche Drache liegt bezwungen, Und Bismark-Siegfried kehrt nach Haus Mit seinem Schatz der Nibelungen;
Stolz blickt auf ihrer Kinder Schaar Germania, die Heldenmutter; Stolz blickt das Denkervolk sogar Auf Döllinger, den Afterluther. Ihr habt ein neues deutsches Reich,
Von Junkerhänden aufgerichtet. Redwitz besingt den Schwabenstreich Und hat ein dickes Buch gedichtet; Ihr habt ein neues Oberhaupt, Ihr Elsaß-Lothringen-Verspeiser;
Den Papst, an den ihr nicht mehr glaubt, Ersetzt ein infallibler Kaiser. Ihr wähnt euch einig, weil die Pest Der Knechtschaft sich verallgemeinert, Weil täglich noch der kleine Rest
Lebend'ger Seelen sich verkleinert; Ihr wähnt euch einig, weil ein Mann Darf über Krieg und Frieden schalten Und euch zur Schlachtbank führen kann Mit der Parol': das Maul gehalten!
Ach, Einheit ist ein leerer Schall, Wenn sie nicht Einheit ist im Guten, Wenn ihr korinthisches Metall Uns mahnt an Mord und Städtegluten; Ach, Einheit ist ein tönend Erz,
Wenn sie nur pochend auf Kanonen Zu reden weiß an unser Herz - Und klingt es anders von den Thronen? -
Einheit des Rechtes ist kein Schild, Der uns bewahrt vor Unterdrückung;
Nur wo als Recht das Rechte gilt, Wird sie zum Segen, zur Beglückung. Nur diese war's, die wir erstrebt, Die Einheit, die man auf den Namen Der Freiheit aus der Taufe hebt;
Doch eure stammt vom Teufel: Amen!
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:12 von 2rhyme
Autor: Georg Herwegh
Quelle: de.wikisource.org
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