Nachts in der Cajüte (Andere Gedichte)
Das Meer hat seine Perlen, Der Himmel hat seine Sterne, Aber mein Herz, mein Herz, Mein Herz hat seine Liebe.
Groß ist das Meer und der Himmel, Doch größer ist mein Herz, Und schöner als Perlen und Sterne Leuchtet und strahlt meine Liebe. Du kleines, junges Mädchen,
Komm an mein großes Herz; Mein Herz und das Meer und der Himmel Vergehn vor lauter Liebe.
* * * An die blaue Himmelsdecke, Wo die schönen Sterne blinken,
Möcht’ ich pressen meine Lippen, Pressen wild und stürmisch weinen. Jene Sterne sind die Augen Meiner Liebsten, tausendfältig Schimmern sie und grüßen freundlich,
Aus der blauen Himmelsdecke. Nach der blauen Himmelsdecke, Nach den Augen der Geliebten, Heb’ ich andachtsvoll die Arme, Und ich bete und ich flehe:
Holde Augen, Gnadenlichter, O, beseligt meine Seele, Laßt mich sterben und erwerben Euch und Euren ganzen Himmel!
* * * Aus den Himmelsaugen droben,
Fallen zitternd lichte Funken Durch die Nacht, und meine Seele Dehnt sich liebeweit und weiter. O, Ihr Himmelsaugen droben! Weint Euch aus in meine Seele,
Daß von lieben Sternenthränen Ueberfließet meine Seele.
* * * Eingewiegt von Meereswellen Und von träumenden Gedanken, Lieg’ ich still in der Kajüte,
In dem dunkeln Winkelbette. Durch die off’ne Luke schau’ ich Droben hoch die hellen Sterne, Die geliebten, süßen Augen Meiner süßen Vielgeliebten.
Die geliebten, süßen Augen, Wachen über meinem Haupte, Und sie klingen und sie winken Aus der blauen Himmelsdecke. Nach der blauen Himmelsdecke
Schau’ ich selig lange Stunden, Bis ein weißer Nebelschleier Mir verhüllt die lieben Augen.
* * * An die bretterne Schiffswand, Wo mein träumendes Haupt liegt,
Branden die Wellen, die wilden Wellen. Sie rauschen und murmeln Mir heimlich in’s Ohr: „Bethörter Geselle! Dein Arm ist kurz, und der Himmel ist weit
Und die Sterne droben sind festgenagelt, Vergebliches Sehnen, vergebliches Seufzen, Das Beste wäre, du schliefest ein.“
* * * Es träumte mir von einer weiten Haide, Weit überdeckt von weißem, weißem Schnee,
Und unter’m weißen Schnee lag ich begraben Und schlief den einsam kalten Todesschlaf. Doch droben aus dem dunkeln Himmel schauten Herunter auf mein Grab die Sternenaugen, Die süßen Augen! und sie glänzten sieghaft
Und ruhig heiter, aber voller Liebe.
Eingetragen am 08.11.2011 09:34:36 von 2rhyme
Autor: Heinrich Heine
Quelle: de.wikisource.org
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