Mimi (Andere Gedichte)
Bin kein sittsam Bürgerkätzchen, Nicht im frommen Stübchen spinn’ ich. Auf dem Dach, in freier Luft, Eine freie Katze bin ich.
Wenn ich sommernächtlich schwärme, Auf dem Dache, in der Kühle, Schnurrt und knurrt in mir Musik, Und ich singe, was ich fühle. Also spricht sie. Aus dem Busen
Wilde Brautgesänge quellen, Und der Wohllaut lockt herbei Alle Katerjunggesellen.
Alle Katerjunggesellen, Schnurrend, knurrend, alle kommen,
Mit Mimi zu musiciren, Liebelechzend, lustentglommen. Das sind keine Virtuosen, Die entweiht jemals für Lohngunst Die Musik, sie blieben stets
Die Apostel heil’ger Tonkunst. Brauchen keine Instrumente, Sie sind selber Bratsch und Flöte; Eine Pauke ist ihr Bauch, Ihre Nasen sind Trompeten.
Sie erheben ihre Stimmen Zum Konzert gemeinsam jetzo; Das sind Fugen, wie von Bach Oder Guido von Arezzo. Das sind tolle Symphonien,
Wie Capricen von Beethoven Oder Berlioz, der wird Schnurrend, knurrend übertroffen.
Wunderbare Macht der Töne! Zauberklänge sonder Gleichen!
Sie erschüttern selbst den Himmel Und die Sterne dort erbleichen. Wenn sie hört die Zauberklänge, Wenn sie hört die Wundertöne, So verhüllt ihr Angesicht
Mit dem Wolkenflor Selene. Nur das Lästermaul, die alte Prima-Donna Philomele Rümpft die Nase, schnupft und schmäht Mimi’s Singen – kalte Seele!
Doch gleichviel! Das musiciret, Trotz dem Neide der Signora, Bis am Horizont erscheint Rosig lächelnd Fee Aurora.
Eingetragen am 08.11.2011 09:34:29 von 2rhyme
Autor: Heinrich Heine
Quelle: de.wikisource.org
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