Das Glück (Schiller) (Andere Gedichte)
Das Glück. Selig, welchen die Götter, die gnädigen, vor der Geburt schon Liebten, welchen als Kind Venus im Arme gewiegt, Welchem Phöbus die Augen, die Lippen Hermes gelöset, Und das Siegel der Macht Zeus auf die Stirne gedrückt!
Ein erhabenes Loos, ein göttliches, ist ihm gefallen, Schon vor des Kampfes Beginn sind ihm die Schläfe bekränzt. Eh er es lebte, ist ihm das volle Leben gerechnet, Eh er die Mühe bestand hat er die Charis erlangt. Groß zwar nenn ich den Mann, der sein eigner Bildner und Schöpfer
Durch der Tugend Gewalt selber die Parce bezwingt, Aber nicht erzwingt er das Glück und was ihm die Charis Neidisch geweigert, erringt nimmer der strebende Muth. Vor unwürdigem kann dich der Wille, der ernste, bewahren, Alles Höchste, es kommt frei von den Göttern herab.
Wie die Geliebte dich liebt, so kommen die himmlischen Gaben, Oben in Jupiters Reich herrscht wie in Amors die Gunst. Neigungen haben die Götter, sie lieben der grünenden Jugend Lockigte Scheitel, es zieht Freude die Fröhlichen an. Nicht der Sehende wird von ihrer Erscheinung beseligt,
Ihrer Herrlichkeit Glanz hat nur der Blinde geschaut, Gern erwählen sie sich der Einfalt kindliche Seele, In das bescheidne Gefäß schließen sie göttliches ein. Ungehofft sind sie da, und täuschen die stolze Erwartung, Keines Bannes Gewalt zwinget die Freyen herab.
Wem er geneigt, dem sendet der Vater der Menschen und Götter Seinen Adler herab, trägt ihn zu seinem Olimp, Unter die Menge greift er mit Eigenwillen und welches Haupt ihm gefället, um das flicht er mit liebender Hand Jetzt den Lorbeer und jetzt die Herrschaftgebende Binde,
Krönte doch selber den Gott nur das gewogene Glück. Vor dem Glücklichen her tritt Phöbus der pythische Sieger Und der die Herzen bezwingt, Amor, der lächelnde Gott. Vor ihm ebnet Poseidon das Meer, sanft gleitet des Schiffes Kiel, das den Cäsar führt und sein allmächtiges Glück, Ihm gehorchen die wilden Gemüther, das brausende Delphin Steigt aus den Tiefen und fromm beut es den Rücken ihn an. Ein gebohrener Herrscher ist alles Schöne und sieget Durch sein ruhiges Nahn wie ein unsterblicher Gott. Zürne dem Glücklichen nicht daß den leichten Sieg ihm die Götter
Schenken, daß aus der Schlacht Venus den Liebling entrückt, Ihn, den die Lächelnde rettet, den Göttergeliebten beneid ich, Jenen nicht, dem sie mit Nacht deckt den verdunkelten Blick. War er weniger herrlich Achilles, weil ihm Hephästos Selbst geschmiedet den Schild und das verderbliche Schwerdt,
Weil um den sterblichen Mann der große Olymp sich beweget? Das verherrlichet ihn, daß ihn die Götter geliebt, Daß sie sein Zürnen geehrt, und Ruhm dem Liebling zu geben. Hellas bestes Geschlecht stürzten zum Orkus hinab. Um den heiligen Heerd stritt Hektor, aber der Fromme
Sank dem Beglückten, denn ihm waren die Götter nicht hold. Zürne der Schönheit nicht, daß sie schön ist, daß sie verdienstlos Wie der Lilie Kelch prangt durch der Venus Geschenk, Laß sie die glückliche seyn, du schaust sie, du bist der Beglückte Wie sie ohne Verdienst glänzt, so entzücket sie dich.
Freue dich, daß die Gabe des Lieds vom Himmel herabkommt, Daß der Sänger dir singt, was ihn die Muse gelehrt, Weil der Gott ihn beseelt, so wird er dem Hörer zum Gotte, Weil er der glückliche ist, kannst du der selige seyn. Auf dem geschäftigen Markt da führe Themis die Wage,
Und es messe der Lohn streng an der Mühe sich ab, Aber die Freude ruft nur ein Gott auf sterbliche Wangen, Wo kein Wunder geschieht, ist kein Beglückter zu sehn. Alles menschliche muß erst werden und wachsen und reifen Und von Gestalt zu Gestalt führt es die bildende Zeit,
Aber das glückliche siehest du nicht, das Schöne nicht werden, Fertig von Ewigkeit her steht es vollendet vor dir. Jede irrdische Venus steigt wie die erste des Himmels Eine dunkle Geburt aus dem unendlichen Meer, Wie die erste Minerva so tritt mit der Aegis gerüstet
Aus des Donnerers Haupt jeder Gedanke des Lichts, Aber du nennest es Glück, und deiner eigenen Blindheit Zeihst du verwegen den Gott, den dein Begriff nicht begreift. SCHILLER.
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:09 von 2rhyme
Autor: Friedrich Schiller
Quelle: de.wikisource.org
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