Die Predigt am Magdalenentage (Andere Gedichte)
Die Predigt am Magdalenentage. Ein Priester predigte am Tage Magdalenen Vom Greuel ihrer ersten Lebensart; Doch ward nachher das Lob der Schönen Ob ihrer Reu’ und Busse nicht gespart –
Nun fuhr der Redner zu den Damen, Die vor ihm sassen, eifernd fort: »Wie viel sind unter euch, die mehr in diesem Ort Sich zu belustigen, als zu belehren kamen! – Absonderlich ist eine unter euch,
Bei der hilft weder Droh’n noch Bitten – An Leichtsinn und an losen Sitten Bleibt sie vielmehr sich immer gleich! – – Wie heilig hat sie alle Jahr’ Im Beichtstuhl Besserung versprochen –
Allein wie allzubalde war Stell dies Gelübd’ gebrochen? – Und da sie ihre Frechheit immerdar Noch gar vermehrt – wer kann’s verwehren, Wenn wir sie öffentlich beschwören? –
Das will ich jetzt auch thun! –Es ist –es ist – Was meint ihr? soll ich namentlich sie nennen? – Ich sollt’ es freilich wohl – doch wisst – – Allein warum nicht? – Gut, ihr sollt sie kennen! – Vielleicht bringt dies zu ihrer Pflicht
Sie noch zürück – so leid mir’s thut, sie zu beschämen. Es ist – doch – ohne Makel könnt’ ich nicht Den Namen nur auf meine Zunge nehmen! – Ich will sie drum auf andre Art der Welt Kundmachen und an ihr das Strafamt schärfen.
Dort sitzt sie! – Wie sie sich nicht stellt! – jetzt werd’ ich mein Gebetbuch nach ihr werfen! – Gebt acht! – Gebt acht! auf wen es fällt!« – – Indem er nun empor mit seinem Buche fuhr, War jede bange vor dem Falle,
Und jede bückte sich. – »Verborbene Natur! – Ich dacht’, es wäre eine nur – Nun seh’ ich wohl – sie sind es alle!«
L. F. G. von Göckingk. (1748-1828.)
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:40 von 2rhyme
Autor: Leopold Friedrich Günther von Goeckingk
Quelle: de.wikisource.org
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