Noch immer (Ulk) (Andere Gedichte)
Noch immer Von Theobald Tiger Zunächst einmal: der Deutsche schreibt, wenn ihm nichts anders übrig bleibt. – Er fertigt sich für jeden Krempel als erstes einen blauen Stempel
und gründet um den Stempel froh ein großes Direktionsbureau. Und das Bureau beschäftigt Damen und trägt auch einen schönen Namen und hat auch einen Kalkulator
und einen braven Registrator und einen Chef und Direktoren und vierzehn Organisatoren und einen Pförtner für die Nacht. Ihr fragt, was so ein Amt nun macht?
Es macht zum Beispiel Schwierigkeiten. Denn diese muß es ja bereiten, zu zeigen, daß es auf der Welt, und daß es andern überstellt. (Und all das kostet wessen Geld?)
So schwitzt nun über wunderbaren und komplizierten Formularen und schreibt sie voll und füllt sie aus und dann geht artig nur nach Haus! Und damit ist die Sache richtig.
Was macht es noch? Es macht sich wichtig. Und es erläßt mit Schwung Erlässe und prüft Papiere und prüft Pässe. Verordnung folgt auf Paragraphen „betreffend Straßenhandel mit Schafen“,
„bezüglich Alligatorenfutter“ – aber die Butter ist für den kleinen Mann verratzt und leider offenbar zerplatzt, und all dies hat das Amt verpatzt.
Von dieser Sorte gibts weit über hundert. Ihr seid darüber so verwundert? Ach Gott, ihr müßt nicht traurig sein: Wir bilden uns noch immer ein, mit §§ seis getan.
Der alte dumme deutsche Wahn. Ein Amt kann keine Nüsse knacken. Das Leben müßt ihr kräftig packen. Denkt an die Wirtschaft! Denkt an morgen! Aber ihr müßt euch ja mit Aemtern versorgen.
Eingetragen am 08.11.2011 09:34:38 von 2rhyme
Autor: Kurt Tucholsky
Quelle: de.wikisource.org
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