Pollice verso (Andere Gedichte)
2. Pollice verso. Stolz tritt er in die Schranken, Der lockige Barbar, Kein Zucken oder Schwanken Der Muskel und Gedanken, So keck sein Aug’ und klar!
Noch niemals unterlegen! Ganz Rom kennt seine Art: Bald tückisch, bald verwegen, Doch immer überlegen, Sein Arm wie Stahl so hart.
Er ist nur Gladiator Und blutig sein Gewinn, Doch heut’ ein Triumphator, Denn Roma’s Imperator Verlor sein – Weib an ihn!
Dein kurzer, fester Nacken, Dein krausgewelltes Haar, Die Art den Feind zu packen Und fühllos einzuhacken, Gewann sie dir, Barbar!
Die königlichen Glieder Vom Purpur stolz umwallt, Schaut sie auf dich hernieder, Kaum zucken ihre Lider, So herb ihr Blick und kalt.
Du aber wardst im Dunkel Der Nacht von ihr umarmt, Kennst ihres Aug’s Gefunkel – Barbar, im sünd’gen Dunkel Bist du an ihr erwarmt! ...
Und schon beginnt das Ringen – Hab’ Allzusich’rer Acht Und brauche deine Klingen, Du mußt den Feind bezwingen, So lang dies Weib dir lacht!
Wie blitzt es auf und nieder, Sein blankes, kurzes Schwert! Wie prächtig seine Glieder Im steten Hin und Wider – Er war des Preises werth!
Die Arme die behenden, Sie schwellen ihm vor Kraft; Wie zuckt’s um seine Lenden Beim steten Dreh’n und Wenden, Ganz Muth und Leidenschaft.
Und nun – nun wird er siegen: Ein Hieb, dann ist’s gethan! Der Andre muß erliegen Schon holt er aus – da fliegen Die Blicke ihm hinan;
Zu ihr, die lechzend während Des Kampf’s sich vorgebeugt Und nun, das Aug’ begehrend Geöffnet, ihn verzehrend Ihr heiß Verlangen zeigt.
So lohten ihre Blicke In jener schwülen Nacht! – Da siegt des Gegners Tücke, Mit blutendem Genicke Wird er zu Fall gebracht.
Und kalt des Schwertes Spitze Auf seine Brust gestellt, Verbeugt sich vor dem Sitze Des Cäsars Jener: „Blitze Oder schone, Herr der Welt!“
Doch keck blickt er nach oben, Der lockige Barbar, Nun wird sie sich erproben – Wenn sie die Hand erhoben, Krümmt Keiner ihm ein Haar!
Die feisten Senatoren, Sie gönnten’s ihm wohl baß: Den Schlemmern, kahlgeschoren, Auf üppigen Emporen, Wär’s ein – Verdauungs-Spaß!
Und Vesta’s Jungfrau’n wieder, Sie kämpften schon aus Neid Des Mitleids Stimme nieder: Nicht blühen solche Glieder Für ihre Einsamkeit!
Doch sie, die ihn umfangen – – Und wieder fliegt sein Blick Zu ihr, die dort voll Prangen Sein Hoffen und Verlangen Und heut’ auch – sein Geschick!
Wie könnte sie ermatten, Für ihn, um ihn zu fleh’n? Schon beugt sie sich zum Gatten – Nun lächelt sie – kein Schatten In ihrem Blick zu seh’n;
Und nun – ha schwindelnd wenden Des Opfers Augen sich – Mit ihren eignen Händen Befiehlt sie kalt zu enden, Und jäh trifft ihn der Stich;
Ein Zucken und ein Röcheln – Ganz Rom heult wie verzückt! Sie läßt sich Kühlung fächeln Und lacht – es ist das Lächeln, Das gestern ihn beglückt....
Eingetragen am 08.11.2011 09:34:47 von 2rhyme
Autor: Marie Eugenie Delle Grazie
Quelle: de.wikisource.org
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