Sklavenmoral (Andere Gedichte)
Sklavenmoral. Mein Junge, du wirst zu treu und zu gut – Fast möcht' ich dich wecken! Ich seh's mit schwellendem Stolz – und ich seh's Mit wachsendem Schrecken.
Dein Auge feuchtet ein keuscher Glanz Wie Tau einer Blüte; Es atmet durch deinen weichen Mund Die träumende Güte. Dir zuckt's um die Lippen bei fremdem Schmerz,
Und du willst ihn lindern – Ein wunderbares, befremdliches Ding Bei der Menschen Kindern. Pass' auf, sie werden dich früh genug Vor den Karren spannen;
Und hast du die Last zu Berge geschleppt, Man hetzt dich von dannen. Weh dir, wenn ein Gott in den Geist dir gelegt Gewalt des Propheten – Sie werden überbrüllen dein Wort
Und im Kot dich zertreten.
Du wirst sie mit blankem, sausendem Schwert Zum Siege führen – Dann aber wirst du dich krümmen im Staub Vor ihren Türen.
Ich seh's um deine zarte Stirn Wie Dornen und Blut – Und ich reiße dich wild ans hämmernde Herz In aufjubelnder Glut.
Eingetragen am 08.11.2011 09:35:01 von 2rhyme
Autor: Otto Ernst
Quelle: de.wikisource.org
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