Noch einmal! (Andere Gedichte)
Noch einmal! (Lied einer Modegrösse.) Einst rauschten wilde Frühlingswetter Durch dieses Herz voll[WS 1] Ungestüm – Heut[WS 2] schreib’ ich für Familienblätter Histörchen auf von »ihr« und »ihm«.
Einst träumt’ ich kühn von heissen Siegen Von Leidenschaft, die fehlt und irrt, – Heut[WS 3] sorg’ ich nur, dass »sie sich kriegen« Und die Moral gerettet wird. Einst Gast im Garten, drin die Schlange,
Grell den Erkenntnisbaum umschlingt, Spazier’ ich nun im Thal schon lange, Wo noch der Storch die Kinder bringt. Ich schwärme brav mit Fritz und Kätchen; Dass Liebe sündigt – ahn’ ich kaum
Und leg’ dem bleichsuchtblassen Mädchen Sein Büchlein unter’n Weihnachtsbaum. Einst stürmt’ ich keuchend mit Titanen Der Götter Burg in Sturm und Not, Heut roll’ ich hin auf glatten Bahnen
Und bin ein guter Patriot. Mein Hirn wirft eine hübsche Rente, Ich lobe Staat und Unterricht; Und dass man wo was bessern könnte An dieser Welt – ich ahn’ es nicht.
Nennst du mich, strahlen die Gesichter; Ich werd’ gekauft, gelobt, besucht; Ich bin ein »erster deutscher Dichter«, Als solcher am Parnass gebucht . . . Nur – wenn mich Siebzehnjähr’ge preisen
Und alte Weiber jubeln laut, Ist mir’s, ich müsst’ zusammenschmeissen, Was ich in dreissig Jahr’n gebaut;
In Thränen schwimmen die Gesichter, Ein toller Beifallsstunn erschallt, Man ruft berauscht den kühnen Dichter – – »Komm, Mann! sonst wird die Suppe kalt!« Edwin Bormann.
Eingetragen am 08.11.2011 09:34:38 von 2rhyme
Autor: Rudolf Presber
Quelle: de.wikisource.org
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