Die Schwestern von Lesbos (Andere Gedichte)
Erster Gesang. Schau Likoris! es neigt im Purpurschimmer die Sonne Schon sich näher dem Schooße des Meers, und glänzender kräuseln Steigende Wellen sich dort am Felsengestade des Eilands! Laß nicht länger darum uns säumen die Krüg’ an des Thales
Strömenden Brunnen zu füllen; vielleicht schon harren der Kindheit Traute Gespielinnen dort, im dämmernden Schatten versammelt, ?Zum gewohnten Gespräch, die gern es mit Frag’ und Erzählung Oft verlängern, ich meyne sie halten auch heute zurück uns, Bis die schweigende Nacht auf thauigten Flügeln herabsinkt.
Also sprach, holdlächelnd, zur Schwester die schöne Simaitha, Sie, die Erstgebohrne, der Liebling des alternden Vaters; Denn ein jugendlich Bild der frühbetrauerten Gattin, Welche der Tod ihm entriß, war jetzt die treffliche Jungfrau, Ernst wie die Mutter und sanft, gleich ihr die Stütze des Hauses.
Dieser bereitete Hymen auf morgen das fröhliche Fest schon, Sie zu verbinden dem Jüngling, dem blühenden, welcher sie jüngst erst Sah und liebend erkohr, dem gelbgelockten Diokles. Und leichtschwebenden Fußes der Schwell’ enteilend, erwiedert’ Ihr Likoris darauf, das rosenwangige Mägdlein:
Schwester, ich folge dir gern, wie stets ist dein Wille der beste! Dort in der Laube, die rings das lieblich duftende Geisblatt Hochaufrankend umblüht, und mit schattendem Laube der Weinstock, Stehn die gehenkelten Krüge; da traf mich am Morgen Diokles. Blumen hatt’ ich begossen und viele brechend gesammelt, Dir zu flechten den Kranz, noch schmückt er heiter die Stirn dir, Ordnend wählt er mit Fleiß, er saß mir zur Seite, die schönsten Aus dem Körbchen für dich, und dort vergaß ich die Krüge. Also Likoris! und still durchwandelten neben einander Beide Schwestern den Pfad, den sanftgekrümmten; doch bald schon
Unterbrach das Schweigen die Jüngere, sagte zur Schwester: Traun! du ahndest mit Recht daß heute dir, wo du zuletzt noch Unserm Kreise gehörst, verzögert werde die Rückkehr. Doch nicht Fragen allein, auch rührende Worte der Freundschaft Halten schmeichelnd dich fest, denn nicht gewöhnliche Neigung
Fesselt die Mädchen an dich. Nie reizte zum Neid sie die Schönheit Welche vor allen dich schmückt; des Geistes reifere Bildung Ehren sie gern in dir; ja, aller Vertrauen gewannst du, Als dein eigenes stets bewahrend jeder Geheimniß, Dir geschwätzig enthüllt. Schon manche, dies weiß ich, erfreute
Deines sinnigen Rathes sich dankbar, die ihn befolgte. Auch herrscht lieblicher Friede durch dich im Kreise der Jungfraun. Denn, den störenden Streit abwendend, nahest du jeder Die zuweilen gekränkt sich wähnt im muntern Gespräche, Und besänftigest leicht ihr rasches Zürnen; den andern
Wehrest du liebreich dann, mit ernstem Worte; sie senken Still beschämt den Blick, vermeiden dein leuchtendes Auge. So auch scheu ich es selbst! des Vaters heftiges Schelten Trifft nicht inniger mich, als deine sanftere Warnung. Doch liebkosend zu ihr geneiget versetzte Simaitha:
Süße Worte, Likoris, wie froh willkommene, sprachst du! Denn so theuer und werth die Liebe holder Gespielen Meinem Herzen auch ist, so bleibt die Neigung der Schwester Mir vor allen doch werth, einst von der sterbenden Mutter Meiner Sorge vertraut. Ach! damals wußtest du kaum noch
Schwach, mit kindischer Hand, die entfliehende Spule zu drehen. Liebend zog sie uns hin aufs traurige Lager, um beide Schlang sie den zitternden Arm, ich hob in den meinen empor dich, Daß sie dir küßte die Stirn und heiße Thränen benetzten Die hochklopfende Brust, der Töchter Wangen entströmend.
Leis vermochte sie da, mit schwankender Stimme, die Worte Nur zu sprechen, es grub der Schmerz sie tief in die Brust mir: „O Simaitha! du weißt’s, zur Magd bestimmt die Gewohnheit Dir dies verwaisete Kind, doch laß es dir Schwester auch bleiben!“ Ja du hast sie erfüllt, die sorgende Bitte der Guten!
Rief mit thränendem Blick, geschmiegt an den Busen der Schwester, Nun Likoris bewegt: Noch war dem kindischen Sinne Unverständlich ein Wort, das jetzt bedeutend und heilig Meinem Geiste sich zeigt. So waltet ein himmlischer Rathschluß, Unsern Blicken verhüllt, im stillen über das Leben. Ja du erschienest als Mutter der Frühverwaisten, als Freundin! Liebe lehrte mich nur und Güte den heitern Gehorsam, Und vor vielen bey uns bin ich allein die Beglückte. Denn wie grausam übt die ältere Schwester ihr Vorrecht An der Jüngeren hier! Mit stolzerem Sinne, nach Willkühr
Sind zu handeln gewohnt die erstgebohrnen Jungfraun, Nicht durch die Sitten verwandt, den übrigen Töchtern der Griechen. Wie unwissend bis jetzt, verglich ich dem heimischen Eiland Auch die übrige Welt! die vielverschiedene wähnt’ ich, Dumpf, in kindischem Sinn, von jenem Gesetze beherrschet,
Welches auf Lesbos allein der älteren Tochter das Erbe Gönnt, zur dienenden ihr die jüng’re bestimmt, die niemals Hymens Fackel erblickt, von liebender Mutter entzündet. Auch dem Bruder versagt Besitzthum diese Gewohnheit, Der dem Meere dann oft, dem falschen, kühn sich vertrauet,
Aufzusuchen das Glück im handeltreibenden Ausland, Mildere Sitte regieret, so rühmt’ es jüngst uns ein Fremdling, Ueberall und vertheilt des Lebens heitere Güter Gleich, wie sie mütterlich auch Natur auf die Kinder verbreitet, Sag! was verwandelte hier allein nur der lächelnden Kindheit
Erstes, liebliches Band in Fesseln trauriger Knechtschaft? Jenes frühesten Glücks des holdgeselligen Daseyns, Welches die Jugend verschönt, auf immer viele beraubend? Und zu der Eifernden drauf, mit ernsten Worten Simaitha: Nimmer geziemt es dir, heftig zu tadeln die alte Gewohnheit!
Denn nicht hier allein; so weit die Erde bewohnt ist Waltet sie, alle beherrschend, in nur verschiedner Gestaltung. Streng ist jedes Gesetz; doch giebt auch jedes der Milde, Der beglückenden, Raum, und selbst die trefflichste Ordnung Wird von dem rohen Gemüth verkehrt zu schädlichem Misbrauch.
Nicht unbillig schelte daher die Sitte der Heimath, Die dich niemals gedrückt, und wiss’! uns ehret ihr Ursprung. Denn nicht immer erfreute sich Mitylene des Schutzes, Den jetzt friedlich Athen gewährt der blühenden Pflanzstadt! Unruhstiftend, zertheilt durch heimlich gährende Zwietracht,
Waren die Lesbier oft, geneigt zu verderblichem Aufruhr. Schrecklich reizten sie einst den Zorn der mächt’gen Beschützer, Da sie der heiligen Treu uneingedenk sträflichen Frevel Wagten, und feindlicher Macht sich gesellten, dem kriegrischen Volke Welches Sparta bewohnt, und damals bewaffnet die Fluthen
Mit vielrudrigen Schiffen durchkreuzte; die Häfen der Insel Wurden eröffnet für sie, obschon der Klügere warnend Abrieth. Also verirrt in eitel thörichter Ruhmsucht, Freute unsicheren Siegs mit der trotzigen Sparta, die Menge Sich, den frühern Bund den sie gebrochen, verhöhnend. Doch bald wehten siegend die Wimpel, zu rächen den Abfall, Im umzingelten Port, zertrümmert sanken die Mauern Die den Erbauern getrotzt. Die spatbereute Verschuldung Büßten vom rächenden Stahle getroffen, viele der Männer, Nicht, mehr Bürger der Stadt, die nun ein rauchender Schutt war.
Treu nur hatten dem Freunde sich stets, in der traurigen Gährung, Thätig die Frauen bewahrt, die gern unsicheres Wagniß Meiden, stilleren Sinns und zugethan der Gewohnheit. Diesen vertheilte der Sieger, die blühenden Güter des Eilands, Dankbar zum steten Besitz, und schloß die Männer vom Erbtheil
Aus. Nun reizet nicht mehr den Jüngling üppiger Reichthum Zu verwegnem Beginnen, das frevelnden Aufruhr begünstigt. Warnung bleibet ihm jetzt dies Angedenken der Vorzeit, Wie von der Treue der Frau’n ein rühmlich dauerndes Denkmal. Also im Wechselgespräch hinwandelnd, hatten die Schwestern
Nun den Brunnen erreicht, den oftbesuchten, wo grünend Rings ein Rasen sich zog, von Wegen durchschnitten und ostwärts Lieblich vom Hügel begränzt, der sanft und beschattet empor stieg. Zwischen Cypressen schwankte die schlank-aufstrebende Pinie, Dort, aus dunklerem Grün erhob sie heiter die Krone;
Und so schmückte der Hayn die Höhe mit wechselndem Kranze, Senkte sich leichter hinab, im Kreise die Wiesen umfassend. Hier entschäumte dem Felsen, den rings mit üppigen Ranken Dunkler Epheu umschlang, die klare reichliche Quelle, Füllte mit leisem Geräusch das Marmorbecken und eilte
Rieselnd des blühenden Thals zartduftende Blumen zu tränken, Die in lieblicher Füll’, es lockte der wärmenden Sonne Freundlicher Strahl sie hervor und der milde Odem des Lenzes, Hier am Fuß entsproßten der hohen Cypressen; in Büschen, Welche den Fels umwoben, ertönte der munteren Vögel
Fröhlich wechselnder Chor, leissummend schwärmten die Biene Rings umher, in die Kelche der Hyazinthen sich senkend. Hier wo beschattet die Bank zum halben Runde sich bildet Weilte der Wandernde gern, ergötzt durch die lachende Aussicht. Weithin schweifet der Blick in heiterer Ebne, von herrlich
Wallender Saat bedeckt, von des Fruchtbaums Blüthen umschimmert Endlich im Dufte der Fern’ erhob die trozzenden Mauern Mitylene, stolz sich längs dem Gestade verbreitend. Wie ein silbernes Band den Busen umschließet der Jungfrau, Schlang den bläulichen Streif das Meer um die steigenden Ufer.
Aber den lieblichen Born beschützte die Kette der Hügel, Feigen tragend und Wein, gekrönt mit blassen Oliven, Gegen den stürmenden Nord; hier sammelten täglich des Thales Mädchen sich, und es mischte sich dann in der Quelle Gemurmel Still vertrautes Gespräch und der Scherze frohes Gelächter. Rings schon standen manche, die Krüge füllend und riefen Laut den nahenden Schwestern ein froh Willkommen entgegen. Anmuth schmückten und Reize der Jugend sie, denn vor allen Wogenumrauschten Inseln berühmt sich die felsige Lesbos Lieblich blühender Weiber. Es eilten die fröhlichen Jungfraun
Jetzt den Gespielinnen zu, die rings im drängenden Kreise Sich gesammelt um sie; die junge Dämo, Chariklo, Welche die muntere hieß, auch Kalithoa, nicht fehlte Thestülis, welcher zugleich die nährende Brust mit Simaitha Einst die Trakerin bot, sie nannten beide sich Schwestern.
Alle sodann mit heiterem Wort, unschuldigen Scherzes, Eine der andern die Red’ entreißend, neckten die Freundin, Die zu ihnen geneigt mit liebreich freundlichem Lächeln Schweigend die Munteren hört; denn ernster stimmte sie heilig Stiller Liebe Gefühl. Da nahte der trefflichen Jungfrau
Dämo geschwätzig, und sagte die fragenden Worte mit Vorwitz: Sprich! wie scheinest du doch so ruhig immer und kalt mir? Seltsam doch daß du nie im muntern Gespräche des Jünglings Auch nur einmal gedenkst, den morgen auf immer dir Hymens Lächelnde Feyer vereint. Von jenen, welche, bekränzet,
Stets bey Festen der Götter im Tempel sich sammeln, erschien uns Schön wohl mancher und würdig dein froher Gatte zu heißen; Aber noch wüßten wir nicht ob dieser schön, ob er häßlich? Ja, uns quälte noch heute die unbefriedigte Neugier, Käme gefälliger nicht allein an den Brunnen Likoris,
Gern den stürmenden Fragen mit williger Antwort entgegnend. Wunder doch nimmt es uns nicht wenn tief im ruhigen Busen Dir die Liebe geweckt, der herrliche Mann. Ein Halbgott Scheint er uns allen, obgleich uns durch Erzählung bekannt nur. Manches Stündchen, nicht achtend der Mutter Schelten, verweilten
Sprachlos lauschend wir hier; und wie dem Felsen die Quelle Immer reichlich entströmt, so fließt das unendliche Lob auch Von Likoris Lippen. Der Sterblichen keiner ist schöner, Edler an Sitten wie er, und werther der Lieb’ als Diokles! Also endet sie stets, ja sollt’ ich jetzo es wahrhaft
Sagen, welche die Braut, die liebende, mir von euch beiden Scheinet, rieth ich nur sie, der dort die brennende Wange Freundlich die Myrthe beschirmt, in den Schooß die Blüthen ihr streuend. Sorglos schien sie bis jetzt die Silberblätter zu zählen, Bis aus dem Traume sie schnell der holde Name geweckt hat.
Und Simaitha kehrte den Blick zur Schwester, die glühend Da saß. Also färbt im goldnen Schimmer Aurorens Höherer Purpur die Rose, ihr glich die junge Likoris. Denn im Innersten nun enthüllend ihr tiefstes Geheimniß, Hatte das scherzende Wort sie getroffen mit schmerzlicher Wahrheit. Unaufhaltsam strömten die Thränen, das liebliche Antlitz Und die rosigen Finger der hüllenden Hand ihr benetzend, Wie der perlende Thau von Aeos Fingern herabfleußt. Aber Simaitha trat der Weinenden näher und schloß sie Zärtlich schonend ans Herz, sie redete liebreich die Worte:
Schwester! warum wird so des traulichen holden Gespräches Heiterer Lauf getrübt, durch Zähren meiner Likoris, Die unerwartet mir schnell die Freude verkehren in Unmuth? Ach! wir erfahren so oft daß der Götter waltender Rathschluß Sorge gattet mit Lust und Furcht mit der lieblichen Hoffnung;
Müssen thöricht wir selbst willkührlich Uebel erdichten! Lebhaft fühlet das Herz, das unerfahrne, und wähnt sich Oft verwundet, wenn leicht des Scherzes Pfeil es berührt hat; Aber dir, die im Schooß erwuchs der zärtlichen Liebe, Bleibe fremd der Verdacht, ein froh Vertrauen geziemt dir!
Offen lächle dein Auge, nicht senke schüchtern die Wimper, Meide nicht den Blick der nie dich zweifelnd verkannte, Reuen möge dich’s nimmer was hier du geredet voll Unschuld. Denn so freuet sich jetzt dein kindlich Herz auch des Glückes Welches freundlich mir naht, als sey’s das Deine, ich weiß es.
Also Simaitha zu ihr; und gegen Dämo nun wandte Streng den verweisenden Blick sie und sprach mit ernster Bedeutung: Unbedachtsame Worte, o Mädchen, sind dir entflohen! Deiner Jugend allein verzeihlich, denn sie verrathen Nur den kindischen Sinn. Es hätte keine der andern
Unbesonnen wie du, die Mitgespielin beleidigt. Eh muthwillig der Scherz den lächelnden Lippen entgleitet Sehe jedes doch zu auf wen es richte die Pfeile. Immerhin necke getrost der muntre Spötter den Gleichen, Welcher die beißenden Worte gewandt und schnell ihm zurückgiebt;
Aber kränkender ist und schmerzlich jenem des Witzes Leichtverwundender Scherz, der unerfahren und schüchtern Nicht den fröhlichen Spott beherzt zu erwiedern geübt ist. Und so nanntest du auch mich kalt, o Dämo, mit Unrecht; Denn verschieden gebildet ist jedes Gemüth und es wechselt
Mannichfaltig der Sinn der Menschen, jener erfreut sich Laut des gelungenen Wunsches im frohen Rausch; es bewahret, Still, in verschlossener Brust, der andre die gleichen Gefühle. Besser auch ziemt es dem Menschen, den stets das dunkle Verhängniß, Schnell beschwinget, ereilt, daß still, mit bescheidener Freude,
Er begrüße das Glück, die Gabe freundlicher Götter, Gleich gefaßt auch das Uebel, das immer nahe, zu dulden. Laute Freude sie ist der Kindheit flüchtiges Erbtheil, Welche die Gegenwart, die schnell verrauschte, genießet; Doch bald reifet das Kind zum Menschen, da faßt ihn der Kummer. Ach! wer des ersten Verlusts unendliche Leiden empfunden, Heiter geht er dem Schmerz entgegen, ernster der Freude. Und die Herrliche schwieg; die Seele bewegt’ ihr Erinnrung, Süß und bitter gemischt, mit langverhaltenen Thränen Füllend ihr glänzendes Aug’, es windet sanft aus den Armen
Der Gespielinnen sich mit schmerzlichem Lächeln die Jungfrau. Doch jetzt sprach sie gefaßt: lang weilten wir plaudernd und mancher Harret mit spähendem Blick, an der Schwelle, die Mutter vielleicht schon. Mög’t ihr eingedenk aber der Bitte seyn, so geleitet Noch die Schwester mir heim, dünkt nicht zu groß euch der Umweg.
Hier noch weil’ ich indeß in dämmernder Stille des Abends, Bald erhebt sich der Mond und leuchtet schön mir zur Rückkehr. Grüßend schied nun und freundlich die Schaar der Mädchen, zurückblieb Thestülis nur, die am Fels mit traurigem Schweigen gelehnt stand. Doch als die leichten weißen Gewänder der wandelnden Mädchen
Fern schon wehten im Thal, bewegt von dem Hauche des Abends, Schlang sie heftig den Arm und fest um den Nacken der Freundin, Also sprechend zu ihr, in bitter klagendem Unmuth:
Ach! daß allzu spät kurzsichtigen Menschen die Zukunft Sich, die nahende, zeigt, wenn, bang, von Trauer begleitet,
Unvermeidlich sie schon mit eilenden Füßen herantritt. Doch nicht fesselt die Scheu dein zartes Herz zu verwunden Länger die Zunge mir an, enthüllt sey nun das Geheimniß! Längst schon ahndet’ ich still, verborgen nähret Likoris Sträfliche Flammen im Busen. Für deinen Verlobten entbrennt sie.
Darum trafen so tief des Mädchens kindische Worte Sie, die Schuldbewußte, verrathen hat sie sich selbst nun. Ach! daß er nur getreu sich dir bewahre, die Neigung Niemals ahnde der Schwester. Denn schwankend oft ist der Männer Eitler Sinn, und es reizt die Wankelmüthigen manchmal
Mehr die flüchtige Gunst als treue heilige Liebe. Wie! genüget es nicht dem unversöhnlichen Schicksal Daß die schäumende Fluth dir raubte den frühen Geliebten! Sollte den Bräutigam auch, die Schwester, welche du selber Liebend gebildet, dir jetzt entführen mit tückischem Undank?
Also sprach Thestülis laut, mit vielberedten Gebehrden; Doch ihr entgegnete drauf, mit ernster Fassung, die Freundin: Sprich! wie redest du so in übereileter Hitze, Seltsame Worte, im Busen mir quälenden Argwohn erweckend? Immer fand ich bedeutend und wahr was du sagtest, doch scheint mir’s
Jetzt als trübe betrüglich die klaren Sinnen ein Traumbild. Zögre länger nicht mehr vom bangen schmerzlichen Zweifel Schnell zu befreyen die Brust, das verworrene Räthsel mir lösend. So die Jungfrau. Da rief die andre: Wunderbar fügen Waltende Götter es nun, daß dir, die immer nur spottet, Wenn wir andern, besorgt, uns deuten nächt’ge Gesichte, Daß dir selber ein Traum verkünde das drohende Schicksal. Nicht dem eigenen Blick, dem treuen Auge der Freundschaft Zeigte der Warnende sich, den du verschmähet; sie legt ihn Dir an’s Herz, als den Wink empfang’ ihn freundlicher Mächte.
Wisse denn! als heute dem Tag die goldenen Pforten Aeos geöffnet, einschlief ich aufs neu, und nimmer geschieht dies, Stets erweckt mich die Lerche, die frühe, zur munteren Arbeit. Festlich, dünkt es mich, waren, geschmückt, wir alle versammelt, Kränze flechtend im Thal, zur heitern Feyer des Lenzes;
Wolkenlos strahlte der Aether, es wehten säuselnde Lüfte. Als es im herrlichen Blau die silbernen Schwingen bewegend Immer tiefer herab zu uns sich senkte. Die Mädchen Schrieen froh dir zu, den Lieblingsvogel erkennend, Deine Taube, Simaitha, die jüngst du schmerzlich vermißtest!
Und du hüpftest empor mit frohem Schreck, es entfielen Dir vom Schooße die Blumen, die du gesammelt; die schönen Lagen auf thauigtem Grund, dir rings um die Füße zerstreuet. Schmeichelnde Namen entgegen der Wiederkehrenden riefst du, Strecktest die Arm’ empor die zarten Schwingen zu fassen:
Siehe, da wandte betrüglichen Flug der Vogel Citherens, Dreymal umkreist’ er das Haupt der braungelockten Likoris, Wiegte ruhend sich dann am Busen ihr, auf des Straußes Duftenden Blumen, und schlug, liebkosend, mit glänzendem Fittig, Buhlerisch, bald ihr die Schulter und bald den blendenden Nacken.
Ach! und du locktest zurück, mit süßer Stimm’ ihn vergebens. Sprich Simaitha! erscheint der Träume klärster der Deutung Wohl bedürftig dir noch? und eitel die Sorge der Freundin? Doch es nahet das Uebel nicht unerwartet und plötzlich Ueberraschend sich jetzt, du hast, dies sey dir gestanden,
Längst es selber dir schon bereitet, durch schädliche Nachsicht. Gnügte dir, da du kühn die alte Sitte verschmähtest, Mild die Schwester zu lösen von angebohrener Knechtschaft? Zogst du nicht sie empor, wie allzu zärtlich die Mutter Sorgsam des Lieblings pflegt, den seltne Güter erwarten;
Nicht erwägend ob auch der Menschen strenger Erzieher Ihm zum Liebling wähle, das unbestechliche Schicksal. Darum wähnet sich jetzt, mit gleichem Rechte, Likoris Froher Liebe bestimmt und den lieblichen Banden des Hymens, Darum lodert ihr längst die sträfliche Flamm’ in dem Busen
Von der Hoffnung genährt! – O! schweige, rufet Simaitha, Häufe zu Schmerzen mir nicht den seelerschütternden Vorwurf! Was du als Fehler mir schiltst soll nie mich reuen! Die Knechtschaft Tödtet nimmer in uns die allbesiegenden Triebe, Welche die ewige Mutter so tief in den Busen gesenkt hat. Laß mich es denken denn, das niegedachte, daß heimlich Liebe das Mädchen genährt, und Gegenliebe der Jüngling; Opfert ich freudiger nicht der Schwester dann und der Freundin Selbst das süßeste Glück, als würd’ es mir schlau von der Sclavin Kalt und tückisch geraubt? Doch geh jetzt Thestülis, einsam
Laß und schweigend die Brust, die bangbewegte, mich stillen. Fremde Leiden bestürmen sie heut’ und neue Gefahren Drohen der heiligen Ruh, es droht dem liebenden Herzen Kalter schmerzlicher Haß. O! weht ihr säuselnden Lüfte, Wehet Frieden mir zu! In deinem freundlichen Schooße
Gütige Mutter Natur, verstummt, wie der weinende Säugling Schläft an der nährenden Brust, der Leidenschaft regeste Stimme.
Zweyter Gesang. Abend senkte sich nun und still vertrauliche Dämmrung Auf die Fluren herab, es streiften leiser die Winde Ueber der schlummernden Trifft, mit Kühlung wehendem Fittig. Fern in Westen entglimmt’, am Purpursaum des Gewölkes,
Schon der liebliche Stern, der Führer glänzender Schaaren, Welche die schweigende Nacht erhellen, mit freundlichem Schimmer. Säuselnd wiegten die Zweige der blühenden Myrthe des Tages Fröhliche Sänger in Schlaf, es kehrten emsige Bienen Noch mit süßer Beute beladen, summend zurücke.
Schon gesenket standen die schlummernden Blumen und schlossen Leis’ den farbigen Kelch, der zarten Düfte Bewahrer. Und an den Felsen gelehnt, saß unbeweglich die Jungfrau, Senkt’ in die stützende Hand ihr Haupt mit sinnendem Schweigen. Ersten Blickes vielleicht, ging hier ein Wandrer vorüber,
Hätt’ es diesem gedünkt, sie ruhe nach fröhlicher Arbeit. Eingewiegt von des Quells leisflüsternd sanftem Gemurmel, Theile sorglos sie auch der Götter freundlichste Gabe Mit der ganzen Natur, den holderquickenden Schlummer. Aber die liebliche Ruhe verscheuchte die schmerzliche Sorg’ ihr,
Welche die Freundin erregt mit ängstlich dringender Warnung, Und so sprach sie zu sich, im Stillen manches erwägend: Ja! wie kann ich es selber mir bergen! stand doch Likoris Erst mit Erröthen vor mir, in stumm beschämter Verwirrung, Und das unendliche Lob, wie scherzend es nannten die Mädchen, Zeigt es die Schuldige nicht, die frevelnde Liebe beschönigt? Oder trübte vielleicht ein kränklich nichtiger Argwohn Thestülis spähenden Blick und schuf ein täuschendes Schreckbild? Ist auch strafbar darum Likoris weil sie die Neugier Der Gespielinnen stillt, mit munterm Plaudern, des Jünglings
Schönheit preisend, verbunden der Sitten Adel und Einfalt? Hebt mir doch froh der Gedanke den Busen, daß ich sein eigen Bald auf immer nun bin, und wenn ich der lieblichen Hoffnung Jetzt mich stiller erfreue, gereift durch das ernstere Schicksal, Zürne gerecht ich darum, ihr, die in reizender Unschuld
Zwischen dem Kinde noch schwankt und der zartentblühenden Jungfrau, Daß sie offen ihr Herz uns zeiget sicher und arglos? Also redend erhob mit heitrer Ruhe Simaitha Schon den entwölkten Blick, doch plötzlich umschwebt’ ihr die Stirne, Dunkler Ahndung voll, des warnenden Traumes Erinnrung.
Schon erfüllet wähnte sie ganz die traurige Deutung, Sah den Bräutigam, los aus ihren Armen sich reißend, An dem Busen der Schwester und barg in die Hände das Antlitz. Doch ein kurzes Besinnen gab schnell die Fassung zurück ihr, Und so sprach sie bewegt: Kann denn ein nichtiges Dunstbild
Mich mit Sorgen erfüllen, die stets der Täuschungen lachte? Ja, ich fühl’ es, den Geist bewahret vor schädlichem Irrthum Mehr die Zufriedenheit, als je die Vernunft und die Wahrheit. Kühn verschmähet und stolz der Beglückte den Wahn, er vertrauet Freundlichen Göttern, es bürgt die Gegenwart für die Zukunft;
Doch wenn nun der Verlust ihm droht des theuersten Glückes, Weicht auch die stützende Hand der Himmlischen, trostlos und einsam Bebt der Sichere jetzt und faßt, in grausender Dämmrung, Dann der Ahndung schwankendes Band; sie knüpft an die Hoffnung Leis’ ihn wieder aufs neu, indem sie der Furcht ihn verbindet.
Also strebte Simaitha, mit ruhig ernster Betrachtung, Sanft die Sorge zu täuschen des heimlich quälenden Argwohns; Als, die bethaueten Wiesen durchwandelnd, jetzo Diokles Ihren Blicken sich zeigte, es hatte dieser der Jungfrau, Wenn der Tag sich geneigt, an den Brunnen zu kommen verheißen.
Darum weilte sie noch allein und harrte des Jünglings, Den am schirmenden Felsen des Pfades Krümme nun herführt. So wenn, das Dunkel besiegend, in herrlich strahlender Klarheit, Neu verjünget der Tag aus blauen Fluthen emporsteigt, Düstres Gewölk verscheucht, der Nächte Schatten, mit Rosen
Aeos bestreuet die Bahn des Herrlichen, dem sie voranfleucht; Also färbte frohes Erröthen die Wange der Jungfrau, Und der Unmuth entfloh, es floh der quälende Zweifel, Vor des Geliebten Nähe. Sie trat, in heitrer Erwartung, Aus der Bäume Kreis, der noch sie, in dichter Umschattung, Seinem Blicke verbarg und nannte den Namen des Jünglings. Aber als ihm, der sinnend, im wachen Traume, die Blicke Starr zur Erde gesenkt und, unbekümmert des Pfades, Unbewußt ihm gefolgt, die sanfte Stimme Simaitha’s Tönte, die hohe Gestalt entstieg den Schatten der Dämmrung,
Hob er das lockige Haupt mit Staunen, und hemmte den Fußtritt, Bis mit fragenden Worten die Jungfrau also ihm zurief: Sprich! was fesselt so starr am Boden den wandelnden Fuß dir, Daß nicht eilend, wie sonst, und gern dein Schritt mir begegnet? Schreckte die Stimme dich der Geliebten? O wie verschieden
Ist vom muthigen Mann das Weib, das schüchterne nennt ihr’s! Furchtlos würde ich stets die deine hören, und stieg mir Auch entgegen der Ruf aus dem Schooße des nächtlichen Orkus; Nur ein Nachhall noch der Stimme lieblicher Sehnsucht Würde nimmer fremd sie mir ertönen noch schreckbar.
Doch, mit fliegenden Worten, darauf der schöne Diokles: Traun, du Treffliche zürnst mir billig, selber doch dünkt mich Jetzt befremdend, wie dir, mein furchtsam zögerndes Staunen. Aber als du hervor am Felsen schwebtest, umwallte Lichterer Glanz die herrliche Bildung, ähnlich den reinen
Heiligen Nymphen des Quells, wenn leis’ sie im Dufte des Abends, Silbernen Fluthen entsteigend, zum Reihen sich sammeln, erschienst du, Eine der Himmlischen mir, umwebt von dem Schimmer der Gottheit. Also Diokles beschämt, und ihm erwiedert Simaitha: Nicht was ich eben dir schien, ein Wesen höherer Abkunft,
Nein, der sterblichen Fraun geliebteste, mögt’ ich dir heißen. Denn die Göttin verehret der Mann, ihn fesselt das Weib nur.
Scheinet doch dies Wort, so sprach der blühende Jüngling, Aus den Tiefen der Brust geraubt mir! In schöner Bedeutung Sprichst du klarer nur aus, was dunkel längst mich Empfindung
Lehrte! Fremd bleibt immer dem kleinen Menschen die Gottheit. Kaum erreichet der Dampf des Dankaltars die Gewölbe Ueber denen sie thront, und froh vertrauend nur neiget Sich zum Menschen der Mensch, um Freud’ und Gebrechen zu theilen, Und die Schwäche nur knüpft die unauflöslichen Knoten.
Aber mit heiterem Ernst entgegnete diesem die Jungfrau: Wenn im hohen Olymp die Götter thronen, so sind sie Nicht uns ferner darum, und stiege zu ihnen des Dankes Stimme nimmer empor, so strömte doch nieder die Wohlthat. Heiter umwallet uns stets des Tages freundliche Klarheit,
Mild uns die friedliche Nacht, mit allen ewigen Sternen. Ueber beide ja waltet ein hohes himmlisches Antlitz! Phöbus der strahlende schenkt den Tagen Freude; der Schwester Immer wechselndes Licht erhellet die zögernden Nächte. Schau, dort steigt sie hervor, am waldumkröneten Hügel; Kein Gesang erschallt aus dem Busch, mit ruhendem Fittig Schlummern die Zephyre hier, gewiegt auf thauigten Blumen. Doch was lehnst du Geliebter dich schweigend an die Cypresse Hin? Du scheinest versenkt in traurigernste Betrachtung? Also fragte sie; tief erseufzend versetzte der Jüngling:
Ja was berg ich es dir, mir weckt im Busen nur Wehmuth, Rings die nächtliche Ruh, der weiten lebenden Schöpfung. Muß im dämmernden Reich des süßen Schlummers, allein denn Stets die menschliche Brust beweget bleiben und rastlos?
Aber ihm nahte gelassen, mit ernsten Worten Simaitha:
Zürnst du den Göttern, mein Freund, den gütigen, daß sie das Herz dir Zart und fühlend gebildet, der Freud’ und dem Kummer empfänglich? Doch von außen dringt und oberflächlich der Schmerz nur, An die ruhige Brust, wo tief im Innern das Glück quillt. Aber sage warum doch jetzt, so nahe der Stunde
Die uns auf immer vereinet, du fern dich zeigest und fremd mir? Trübes Schweigen nur ists und scheu verschlossener Kleinmuth Welche dem offenen Blick, der heitern Rede begegnen. Bist auch du es Diokles, und war es wirklich die theure Stimme, die ich vernahm? So wie vom ferneren Felsen
Dumpf des Freundes Ruf herüber schallt, es verwehet Jedes schmeichlende Wort der Liebe ein neidischer Lufthauch, Also hör’ ich auch nun den Ton der das Herz mir beweget; Aber des froherwünscheten Sinnes lausch ich vergebens. Laß von hinnen uns gehn! Es weben zürnende Nymphen,
Wie der Epheu den Felsen umstricket, hier um die Seele Sorg’ und Zweifel mir nur; die kalte Hand des Verdachtes Löst von dem liebenden Busen die schönsten heiligsten Bande. Also sprach sie und wandte sich abwärts, doch es ereilte Bald der Jüngling sie und rief voll tiefer Bewegung:
Nicht verkenne mich so! Fürwahr der Argwohn ergreifet Jetzt nicht schmerzlicher dich, als mich die Scheu dich zu kränken; Aber den Doppelsinn hass’ ich der schmeichelnden Worte. Noch immer Zeigt’ ich offen mich dir, und rein sey unser Verhältniß! Ja, ich bekenn’ es dir frey: mit still gehegter Besorgniß
Seh’ ich nahe den Tag der langerhofften Verbindung, ?Fühle mich ängstlich nun dir fremder; doch richte du selbst mich. Zweymal füllte sich kaum die wechselnde Scheibe des Mondes, Seit ich zuerst in dem Tempel dich sah, die schönste der Jungfraun, Liebe durchglühte die Brust mir, du kamst dem schüchternen Jüngling
Sanft entgegen, und so entlockte schmeichelnde Hoffnung Das Bekenntniß mir gleich der neuen süßen Gefühle. Nur das reizende Weib entzückte mich; heiter, um Liebe, Liebe zu tauschen, dies wähnt’ ich eure höchste Bestimmung; Doch als, näher ich dir, erstaunt die besonnene Klarheit Sah des seltenen Geist’s, und deines tiefen Gemüthes Heilige Still’ und Huld, wie schien ich selber so klein mir! In dem Innern des Hauses erschienst du, ähnlich dem Schutzgeist, Freundlich waltend vor mir, die kleinsten Geschäfte veredelnd; Stets um alles besorgt, zugleich mit heiterer Ruhe
Ganz gesammelt in dir. Da schien des eigenen Wirkens Engbeschränkter Kreis, mir jetzt so nichtig und zwecklos. Sprich! was könnt’ ich dir seyn, das du nicht alles dir selbst bist ? Was dem liebenden Weibe im frohen Bunde gewöhnlich Wird der reifere Mann, ein Freund der, reich an Erfahrung,
Die verschlungenen Pfade des Lebens sie führet, der freundlich Mild die Schwächen der Gattin erträgt, sie lehrend zurecht weist, Nimmer werd’ ich es dir! O sprich, welch seltenes Schicksal Hat, auf die zarteste Form des Weibes, höherer Weisheit Ernstes Gepräge gedrückt, und was gesellte der Blüthe
Rosiger Jugend zugleich des Greisen ruhige Klugheit? Aber Simaitha sprach, die schöne, traurig erwiedernd: Eine Welt von Erfahrung und Leiden trag’ ich im Busen! ?Zürnt denn aber so streng ein unversöhnliches Schicksal, Daß die höhere Ruh und Fassung, welche das Unglück
Bot mit tröstender Hand, als mit der andern es alles Mir entriß, anjetzt mir den Geliebten entfremdet, Und durch den schönsten Besitz, mir raubet die lieblichste Hoffnung? Doch, wohl fühl ich’s, bedarf der Augenblick eines Wortes Das ich im Busen verschloß. Ja, hätte, theurer Diokles,
Ernst und Schweigen von mir dich entfernt und die Bande gelöset; O! so knüpf uns aufs neue zusammen Vertraun und Empfindung! Seltsam schein’ es dir nicht, wenn ich geschwiegen, denn zögernd Löst ein langeverschlossener Schmerz sich nur von des Busens Schweigendem Heiligthum, wo er einst ein Gott uns geworden,
Dem wir die herrlichsten Opfer, die theuersten, Freude und Hoffnung Lange geweihet! und stürzt die Zeit auch den traurigen Altar; Ehrt das geheilete Herz noch still was einst ihn geheiligt. Einen Freund besaß ich, als kaum mir der lächelnden Kindheit Rosiger Nebel zerfloß. Die Zeit, wo das tändelnde Mädchen
Zwischen Blumen noch spielt, gewann die schönste Bedeutung Für das junge Gemüth, und, wie auf grünenden Höhen, Hold gewecket vom Strahl des goldnen Tages, die Blume Früher den farbigen Kelch entschliefst, wenn im Dufte der Dämmrung Schlummern die Kinder des Thals, auch so entfaltete schnell und
Heiter, im Sonnenscheine der heiligsten Liebe, mein Geist sich. Aber der herrliche Mann, der stolze, verschmähte den Vortheil Den die Sitte gewährt, nach welcher dem ärmeren Jüngling Gern das begüterte Mädchen die Hand reicht, im Handel des Auslands Wollt’ er Schätze für mich erwerben. Unselige Großmuth!
In den Wogen fand er sein Grab; um den lodernden Holzstoß Tönte kein trauriges Schluchzen der Braut, nicht ruhn die Gebeine Unter beschattetem Maal, verschlungen hat ihn der Abgrund. Aber die ganze Natur war nun bedeutend und heilig Mir geworden, ein Kranz, der schön die ewigen Blüthen
Schlang um das herrliche Haupt, des lichtumstrahlten Geliebten. Jene blauliche Fluth, die fern im Schimmer des Abends Dort uns glänzet, durchschnitt vordem das eilende Fahrzeug, Das von hinnen ihn trug; an diesem felsigen Ufer Stand ich weinend vor ihm, als männlich fest er des Abschieds
Schmerzen trug. Wie oft verweilt’ ich hier am Gestade, Duftende Kränze flechtend, ich weihte sie glaubig den Nymphen, Daß sie mir schützten den Freund und zähmten die brausende Meersfluth. Auch zum Himmel empor, wo still die Söhne der Leda Neben einander die Bahn durchlaufen, in seliger Eintracht,
Hob ich freudig den Blick. Sie, die mit strahlendem Fittig Tröstend erscheinen dem Schiffer, ein frohes Zeichen der Rettung, Wähnt’ ich mir nah und verwandt, sie theilten die Sorgen der Liebe. So wand Erd’ und Himmel, im ernstern heiligen Kreise, Sich bedeutend um mich, und als die lächelnde Hoffnung
Mir verschwunden aus ihm, erhellte sanft ihn Erinnrung. Aber mein Herz bedarf des deinen, daß ihm die Jugend Ach, die goldne, zurück noch kehre! Liebe nur knüpfet Freundlich dann es aufs neu fest an die verödete Zukunft. Und sie neigte die Stirn, die reine blühende Jungfrau,
An des Jünglings Brust, der leis’, voll inniger Rührung Sie umfassend, rief: Vergieb des Schüchternen Blödsinn! Wie ein sterblicher Mann, den unerwartet der Göttin Himmlische Liebe beglückt; fühl auch ich Herrliche selig Mich in deinem Besitz! O lehre das Glück mich ertragen!
Diesen höhern Glanz, der dich umstrahlet! und dankbar Weih’ ich ein Leben dir ganz, das deine Liebe geheiligt.
Dritter Gesang. Freundlich zeigte sich schon die heitere ländliche Wohnung Nah dem wandelnden Paar, umpflanzt mit schwankenden Pappeln, Deren silbernes Laub sich mischte mir dunklerem Ahorn, Zwischen den weißlichen Säulen, die schön geordnet den Eingang
Ziereten, saß im Glanze des Monds auf der steinernen Bank, schon Lange Filemos, still die liebliche Tochter erwartend, Die er, heiteren Blicks, empfing mit scherzenden Worten: Ey! wie kehret so spat mein Töchterchen heute zurück doch? Nicht des harrenden Vaters eingedenk, schweift sie im Mondschein!
Eros höhere Macht, fürwahr sie zeiget an dir sich! Denn am schattigen Born, wo gerne die Mädchen verweilen, Säumtest du nie, und warst zuerst bedacht auf die Rückkehr, Bis sich der kindische Gott auf grünendem Pfad dir gesellt hat. Aber es nahte dem Greis mit schmeichelnden Worten die Jungfrau:
Zürne der liebenden Tochter doch nicht, obschon sie vor diesem Früher kehrte zu dir; mit freudig wärmerem Herzen Eilte die Glückliche heut’ entgegen deiner Umarmung. Nimmer schadet der ernsteren Pflicht die freundliche Liebe; Denn zur Thätigkeit ermuntert schöner den Geist sie,
Da zum belohnenden Fest sie jede Beschäftigung zaubert. Ja, sie lehret allein des flüchtigen Augenblicks Werth uns. Eilend bring’ ich den Wein, den stärkenden, ordne das Mahl dir, Wenn es Likoris nicht schon, so wie ich geboten, bereitet. Und mit Lächeln versetzte, die Tochter umfassend, Filemos: Mag doch die Schaale gefüllt und unberühret mir bleiben, Bietet, wie er’s gewohnt, sie nicht dem Vater der Liebling! Deinen freundlichen Blick erwartet’ ich, welcher den meinen Gern begegnet und kaum bewußte Wünsche mir ablauscht. Doch schon senkt sich die Nacht, und schädlich ist’s zu verweilen.
Also der muntere Greis, ihm folgte die treffliche Tochter, An Diokles Hand zur geräumigen Halle, wo freundlich Sie Likoris empfing, beym ländlichen Mahle beschäftigt. Hier bot kühlende Milch; gleich Silber schimmernd, Erquickung, Hochgelb glänzte das Gold des süßen duftenden Honigs,
Und, von schwellenden Rosen umkränzt, die zierlichen Schaalen, Schon gefüllt mit dem Saft des selbstgepflegeten Weinbergs. Wo der gepolsterte Sitz auf erhobener Stufe bereit war, Lagerte nun sich der Greis und hob mit heiterem Antlitz, Hoch empor die Schaale von schön getriebener Arbeit.
Kinder laßt uns vor allen der Götter gedenken! so sprach er, Denn sie geben Gedeihen den Erdgebohrnen, doch streng auch Zürnen des Lässigen sie, der schuldiges Opfer verabsäumt. ?Ihnen vergieß ich darum den Wein hier, eh er die trockne, Durstige Lippe mir noch erquickend netzte, das Gleiche
Ziemt auch dir mein Sohn. Des Dankes heilige Andacht Ist dem Glücklichen süß und leicht. Den Unsterblichen näher Bringet Freude das Herz und hebt zu ihnen empor uns. Freudig seh ich mich jetzt am Ziel! und wähne begonnen Neu die Laufbahn mir, die fast vollendet zurückliegt.
Meine geliebteste Tochter verbunden dem trefflichen Jüngling Seh ich, wie es mein Wunsch! Nun lohnet der züchtigen Jungfrau ?Hymens heitres Glück, im Schooß der Lieb’ und der Unschuld. Ha! schon seh ich die Zeit, wenn zwischen blühenden Enkeln, Statt des Stabes gestützt auf die zarten Schultern der Kleinen,
Leicht und rüstiger ich ersteige den steileren Weinberg! Froher brech’ ich dann die purpur-schwellenden Trauben Für die muntere Schaar, die ungeduldig erwartend Mich umhüpft. So eilen, durch Lieb’ und Eintracht erhellt, mir Schneller die zögernden Stunden des dunklen Alters vorüber.
Ihm erwiederte drauf der biederherzige Jüngling: Einfach, reizend zeigest du mir, o Vater, die Zukunft; Doch verarge mir nicht, wann trüb’, mit stiller Besorgniß, Ich der liebenden Mutter gedenke, welche des Sohnes Nun auf immer beraubt sich siehet. Gern auch erfreute
Sie der Tochter sich, der würdigen; aber gefesselt Hält die zögernde Krankheit daheim die Theure gefangen. Leer steht nun das geräumige Haus und öd’ ist die Halle, Wo die muntern Genossen der Jagd sich lärmend versammelt, Wenn das frohe Geräusch erscholl der festlichen Mahlzeit. Traurig sitzet die Mutter mit ihren Frauen, der Rückkehr Harrt sie des Sohnes, umsonst, gequält von schmerzlicher Sehnsucht. Wär’ es von dir mir vergönnt, daß stets des rollenden Jahres Hälfte künftig zu ihr mir folgte die liebende Gattin! Daß du willig mich doch begleiten möchtest Simaitha!
Mancher neue Genuß erwartet dich! Ja, schon bereitet, Also ordnet’ es selbst die Mutter, steht der Gemächer Schönstes für dich; dort gewähren dir hohe Fenster die Aussicht Ueber den Hafen, und zeigen ein stets ergötzendes Schauspiel. Fröhlich tanzen die Schiffe vom fernen Saume des Himmels
Auf den Wellen heran, die Aeos herrlich vergoldet. Stolzer schwellen die Segel im Morgenhauche, und schäumend Rauscht, von den Rudern bewegt, in gemessenen Tönen die Fluth auf. Dort am Ufer das frohe Gewühl! Erscheinet ein Fahrzeug, Forschet jeder bewegt, ob das erwartete komme?
So erharret das liebende Weib den Gatten, dem Sohne Schleicht entgegen der Greis, und Freude krönt die Erwartung. Peitschet Sturm das dunkele Meer, dann liegen die Schiffe Ruhig im schützenden Port. Es rauschen friedlich die Wipfel Hoher Ulmen herab, auf die gesicherten Maste.
Aber strahlet, entwölkt, am heitern Himmel des Tages Freundlich waltendes Licht, schnell rüstet sich jedes zur Abfahrt. Lüfte blähen das Segel, die Anker werden gelichtet, Kränze umflattern den Mast, aus Opferschaalen vergießet Wein der Schiffer ins Meer, er fleht den starken Poseidon
Erst um glückliche Fahrt und dann zu den Seinen um Rückkehr. Ja, vor allen Pallästen, mit welchen längs am Gestade Mitylene prangt, erfreute die eigene Wohnung Mich, vom frohen Gewühl geschäftigen Lebens erheitert. Und entging im bunten Gedräng’, so fragte Simaitha,
Deinem betrachtenden Blick der Unruh schwankender Fußtritt? Dort auf befurcheten Wangen die Blässe nagenden Grames, Hier die quälende Angst, der starre Blick der Verzweiflung? Siehst du am Halse des Mann’s nicht oft die scheidende Gattin, Die ihr lallendes Kind schon jetzt als Waise beweinet?
Siehst du nicht den Greis, der tief gebeugt in die Fluthen Hinstarrt, welche die Stütz’ ihm des einsamen Alters verschlangen? Wo sich in dichteren Massen die Menschen drängen, vervielfacht Schmerz und Kummer sich auch; im selbstgebildeten Kreise Wirken freudiger sie und sichrer. Nur in des Glückes
Anschau’n welches wir selbst verbreitet, schwindet des fremden Elends quälendes Bild, das Gefühl der eigenen Ohnmacht. Also sprach sie, und ihr entgegnete freundlich der Jüngling: Willst du, gesammelt in dir, der Stadt bewegliches Schauspiel Mit dem stilleren gern vertauschen; in freundlicher Fülle ?Bietet auch dort, wie hier, die Natur den heitren Genuß dir. Nah’ dem kleinen Hafen, der, minder besuchet und südwärts Liegt, erheben sich Hügel, die rings der geschäftige Städter Mannichfaltig bepflanzt, in lieblich wechselnder Mischung; Rauh ist und felsig der Grund, wo ihn der Fleiß nicht, betriebsam,
Urbar machte; so grünt mit schwellenden Trauben ein Weinberg Ueber dunklem Gestrüpp, das wildernd zwischen der Felskluft Nickt. Der rauschenden Fluth entsteigen, trotzend und steiler, Fangs die Klippenufer, ein abgerissenes Felsstück, Aus der Titanen gewaltiger Hand zum Abgrund geschleudert
Scheint es und strecket hinaus, von tönenden Wogen umspület, Weit den Rücken ins Meer. Hier sitzen singende Fischer, Emsig betrügliche Netze bereitend, wo von des Oelbaums Schwankenden Schatten beschützt, sich bilden die sicheren Buchten. Dichte verbreiten sich hier am Ufer die strebenden Aeste,
Geben liebliche Kühlung und tiefen Schatten dem Mittag. Oft verweilt’ ich dort, wo gern sich in freundlichen Träumen Meine Seele verliert. Es rauscht ein heilig Entzücken Aus den Wipfeln auf mich herab, und süßere Ahndung Weht mir schmeichelnd um’s Haupt. Hier rief, die Rede des Jünglings
Unterbrechend, Filemos: Wie glücklich scheinet die Blindheit Mir, das schönere Loos der unbefangenen Jugend! Unbewußt, auf Trümmern des Glücks, auf der Asche der Vorwelt Wandelt ein neues Geschlecht, genießt und hoffet; der Schauplatz Bleibt derselbe; ob Schmerz, ob einst ihn die Freude bezeichnet,
Nicht bekümmerts den Lebenden! längst schon verklungen Ist der Vergangenheit Stimme, die keine Spur ihm zurückruft. Wie du sie schilderst, erkenn’ ich genau die Gegend, es zeigt mir Dort ein trauriges Bild der fernen Jahre Geschichte. Wehmuth würde mich nur und Schauer fassen, beträt’ ich
Je dies Ufer, o Sohn! wo frohe Ruh dir gelacht hat. Wohl entsinn’ ich mich noch, obschon die purpurnen Früchte Bald zum dreyßigsten mal gereifet am schattenden Oelbaum. Denn, ein Jüngling noch, bewohnt’ ich die fröhliche Stadt auch, Spät, mit der Gattin erst, erwählt’ ich die stillere Wohnung.
An dies Ufer zog die heftig drängende Menge Eines Morgens mich einst, auch mir die Neugier erweckend. Als dem forschenden Auge sich bald ein rührendes Schauspiel Zeigte, den Wogen kaum entrafft ein Mädchen, das leblos Lag. Ihr hatte des Todes erstarrende Hand das Gepräge
Schon auf die lieblichen Züge gedrückt, ihr sanken die Stirne Schwere Locken herab, genetzt mit bitterer Meerfluth. Rings umfloß sie das Haar, das lange; in wilder Verwirrung Waren die seidenen Flechten gelöst, die Zierde der Jungfraun. Und aufschaudernd rief Likoris: weh! mit Entsetzen Füllt mir die Seele dies Bild! O sprich! wie wurden der Armen Doch zum traurigen Grab die tosenden Wellen? Unglaublich Scheinet immer es mir, daß, von dem freundlichen Daseyn Willig scheidend, ein Mensch die Tage selber sich abkürzt. Denn so lange das Leben nur währt, auch währet die Hoffnung;
Doch der Orkus verdeckt uns alle Freuden auf ewig. Näher drängte sich nun und tief beweget das Mägdlein An des Vaters Seite, der also gesprächig erwiedert: Daß die Unselige selbst hinab sich stürzte, dies hatten Fischer, die eben dort beschäftigt verweilten, bestätigt.
Steil ist das Ufer, es jagt an den Felsen die heftige Brandung Schäumende Wellen hinan, sie wälzten entgegen den Leichnam Schon dem eilenden Kahn, der spät die säumenden Retter Ihr vom Hafen gebracht, und nur die Entseelte zurücktrug. Lykos zweyte Tochter, des reichsten Bürgers war Daphne,
Aber das erste Mädchen an Reiz und bezaubernder Anmuth. Um die ältere warb ein Jüngling; schimmernder Reichthum Lockte zu dieser, es zog zu jener fesselnde Schönheit Bald den schwankenden Sinn, so zwischen beiden, Liebe Heuchelnd und fühlend zugleich, stand bald er schwach und bald treulos.
Nicht der Sitte gedenk, der langverjährten, die niemals Hymens Freuden auch der Jüngern gönnet, ernährte Still, in verschlossener Brust, das Mädchen die täuschende Hoffnung, Seiner Treue gewiß; ihr war der schmeichelnden Männer Lockende Sprache noch fremd, ihr trüglicher Zauber gewann das
Unerfahrne Herz, im ungleich wechselnden Tausche Gab sie glühende Liebe für eitle sträfliche Selbstsucht. Ganz dem Geliebten vertrauend, erblickte sie wachsame Vorsicht Noch im kalten Verrath. So täuschet sich Leidenschaft immer, Schliefst freywillig das Auge am Rande des gähnenden Abgrunds!
Doch er wählte nicht lang’! Besiegt durch die mächtige Goldgier Reicht er der Schwester die Hand. Am Tage, welcher dies Bündniß Festlich auf immer zu knüpfen bestimmt war, riß auch die Arme Zu den trauernden Schatten hinab ihr dunkles Verhängniß. Also erzählte Filemos, als heftig schluchzend, Likoris
Seiner Seit’ enteilte, das thränengebadete Antlitz Mit dem weiten Gewand umhüllend, lehnt’ an den Marmor Sie die brennende Stirn und achtet nicht auf des Vaters Rasches Zürnen, der heftig verweisende Worte ihr zurief. Weibliche Schwäche nur sah der Greis in dem Schmerze des Mädchens,
Der, vergebens bekämpft, nun leidenschaftlich hervorbrach. Doch die Weinende nicht mißdeutend blickte der Jüngling, Aengstlich stumm, nach ihr. Was leis’ ein dunkles Gefühl ihm Zugeflüstert, dies sagt ihm lauter nun die Gewißheit. Zartes Erbarmen zog und sanft verführendes Mitleid
Zu der Liebenden ihn, er fühlte beschämt in der Brust sich Leises Verlangen erweckt und mied, im stillen Bewußtseyn, Scheu Simaitha’s Blick, der ernst und prüfend ihn faßte. Denn enthüllet erschien auch dieser das trübe Geheimniß, Keinen Zweifel vergönnend. Zu quälenden Schmerzen gesellte
Noch die Sorge sich ihr, sie dachte den heftigen Vater Schonend zu täuschen, und sprach in stiller himmlischer Anmuth Also geneiget zu ihm, gelassene Ruhe erheuchelnd: Vater! wenn im Schimmer der Abendröthe du mit uns Unter den Säulen verweilst, und purpurn dann ein Gewölke
Aus der Ferne sich hebt, von scheidenden Strahlen umsäumet, Pflegst du warnend oft zu sprechen: Kinder! der Morgen Dämmert freundlich heiter wie heut’ uns nicht, denn es dräuen Dort Gewitter und Sturm. So scheinet nun in der Wehmuth Trüber Wolke mir auch der ruhige Abend verdunkelt,
Welcher den festlichen Tag uns bringt auf dämmerndem Fittig? Unglück rauschet er mir und Schmerz, ich bekämpfe der Ahndung Dunkel wirkende Macht vergebens. Laß mich, o Vater! Jetzt im stillen Gemach die Götter bitten vom Haupt mir Mild zu wenden den Sturm. Doch ist es des höheren Schicksals
Ernster Schluß, so verleihen der Flehenden freundliche Mächte, Zu dem prüfenden Schmerz, vielleicht zugleich die Ergebung. Aber Diokles hörte voll tiefer schmerzlicher Rührung, Was Simaitha sprach, und rasch zu den Füßen ihr sinkend Barg er sprachlos, verwirrt, im Schooße der herrlichen Jungfrau
Der Beschämung Röthe zugleich mit der Zähre des Unmuths. Doch mit sanfter Gewalt hob still das Haupt sie ihm aufwärts. Rings an den glänzenden Schläfen die goldnen Locken vertheilend, Drückt auf des Jünglings Stirn sie leis’ die keuschen Lippen Und entwand sich dem Arm, der noch das Knie ihr umfaßt hielt.
Vierter Gesang. In der Kammer, die nun des Mondes dämmernder Strahl nur Schwach erhellete, sank betäubt Simaitha auf’s Lager; Nicht das ruhige mehr, zu dem des heiteren Tages Lächelndes Bild ihr gefolgt, im leisen Schlummer erlöschend.
Weich umfing vordem der mohnumkränzete Gott sie Hier mit schmeichelndem Arm, und keins der bunten Gebilde, Welche die schweigende Nacht mit täuschenden Farben erzeuget, Schwebte sonst um das Haupt der sorglos schlummernden Jungfrau; Doch jetzt floh der gefällige Schlaf; sie umwankten des Tages
Trübe Erscheinungen noch, die wohlbekannten Gestalten Schwebten traurig und fremd an ihren Blicken vorüber. Aber noch einmal faßte die immer freundliche Hoffnung Sanft der Jungfrau Hand, mit liebreich tröstendem Zuspruch: Fremd vielleicht noch war der Schwester sträfliche Neigung
Deinem Geliebten bis jetzt, ihm hatte zuerst sie der Zufall ?Unwillkommen enthüllt, nur Ueberraschung und Mitleid Sprach sein staunender Blick: so flüsterte schmeichelnde Hoffnung. Aber die Leucht’ in der Hand, betrat nun Likoris die Kammer, Noch der älteren Schwester zum Dienst, so wie sie gewohnt war.
Und sie täuschte der Schein, da abgewendet Simaitha Lag, mit verhülltem Gesicht, sie schien in Schlummer versenket. Denn die Treffliche mied, bewegt und traurig, des Mädchens Anblick, welcher so kurz noch willkommen ihr immer und süß war. Aber Likoris trat mit zögernden Schritten nur vorwärts; Also bebte Psyche, die Gattin des lächelnden Amors, Da mit verbotenem Licht sie das duftende Lager erhellte, Und den himmlischen Reiz erblickte des ewigen Jünglings. Still nun faltete sie die Gewande, eilte sodann auch Nahrung der Lampe zu geben, der nächtlichen, zierliche Kettlein
Hielten sie schwebend empor, und über das Bette verbreitet Drauf sie den Teppich, der weich aus bunter Wolle gewebt war. Lange heftet sie so, in finster stummer Betrachtung, Starr auf die Schwester den Blick, doch heftig ergriff sie die Wehmuth Und der gewaltige Schmerz, sie rief die klagenden Worte;
Hochbeglückte! verträumst du die Stunden süßer Erwartung? Tückisch fürwahr ist der Schlaf, und immer feindlich den Menschen, Gern betrügt er den Günstling des Glücks um des heitern Genusses Schnellbeflügelte Stunden, die bald auf immer dahinfliehn. Nur wo mit Zähren der Gram das traurige Lager benetzet
Nahet nimmer der Schlaf; mit allbesiegendem Zauber, Täuschet er selten den quälenden Schmerz in kurzem Vergessen. Was doch ordnet’ ich hier gedankenlos diese Gewande? Nicht ziemt häusliche Tracht so festlichem Tage, du prangest Morgen in bräutlichem Putz; bewundernd schauet Diokles
Wohlgefällig vielleicht, sie, die für ihn so geschmückt ist. Und ich sollte dies Haar mit heiteren Blumen durchflechten, Freude heuchelnd mich mischen ins Chor der fröhlichen Jungfraun, Welche mit festlichem Tanz begleiten die Hymnen der Hochzeit? Ha! schon stockt mir im Busen der fliehende Laut und es wanket,
Weil ich’s denke nur, den Dienst versagend, das Knie mir. Nein, der die Liebe mich lehrte, er lehrte nicht der Verstellung Oft willkommene Kunst das junge Herz, das sich schuldlos Keines Wunsches bewußt, der holden Neigung dahingab. Ihn zu sehen ja schien genug mir, ach! ihn zu lieben!
Lange täuscht’ ich mich so; wie plötzlich ist es mir anders Nun geworden! und fremd erschreckt mich die eigne Gesinnung. Also entzündet geheim ein Funke, welcher der Lampe Unbeachtet entfiel, den Purpur weicher Gespinnste, Welche die Weberin sammelt; es steigt die zischende Flamme
Schnell empor und verzehrt der Jahre zögernde Mühe; Wie im Busen mir jetzt Verlangen und liebende Sehnsucht Lang verhalten auch verzehrend lodert; nicht länger Berg’ ich die siegende Glut. O! hätte nimmer sein Blick doch In den meinen gelacht, der Stimme lieblicher Wohllaut
Nie mir die Seele durchtönt; mit Worten holder Bedeutung Schmeichelnd heimlichem Wunsche. Doch nein, nicht trauriges Mitleid Gab er der Liebenden nur, der Gegenliebe Gewißheit Strahlt mir heilig und hold; er theilt der schmerzlichen Sehnsucht Qualen, schöner ja hat es sich heut’ und fest mir bestätigt. O des entzückenden Trosts! Doch halt, Unselige! wagst du’s Noch dich trauriger Schmerzen zu freun des geliebtesten Jünglings? Nicht mehr duld’ ich das Leiden; der Herrliche, welcher der Seele Krankheit erregte, nun schaff’ er die Mittel auch der Genesung. Schlafe du Schwester indeß; es wache der nagende Jammer
Nur in Likoris Brust, mit braunen Fittichen weile Nun nicht länger die Nacht und meerwärts lenk’, o Selänä! Still dein leuchtend Gespann; ihr Sterne sinkt daß ich einmal Weil ich lebe noch, das Haupt umfasse des Lieblings,
Also das klagende Mädchen; und rasch verließ das Gemach sie,
Ahndete nicht daß im Busen der Schwester beschwichtigten Argwohn, Neu und stärker, das Wort verirrter Leidenschaft aufrief. Schmerzlich büßte Simaitha der niegeübten Verstellung Unwillkührliche Schuld, die stets die heimlichen Waffen Treulos gegen ihn selbst, der sie gebrauchet, zurückkehrt.
Alle Bande zerrissen des blutenden Herzens, von dem sich Mit der Liebe zugleich auch löste die tröstende Hoffnung. Weh! so seufzete bang, nach langem Schweigen, die Jungfrau, Scheu das düstre Gemach mit zweifelnden Blicken durchirrend: Webt, mich zu schrecken, der Schlaf entsetzlich täuschende Träume
Noch um das schwindelnde Haupt? O! daß sein ernsterer Bruder, Sanft mich fassend, zugleich mir hätte gegönnet die Täuschung, Welche mir ewig entflieht. Bewegte sich wirklich Likoris Meinem Blicke vorbey? Ihr Kranz, den Locken entrissen, Liegt entblättert noch hier; der Freude heiteres Sinnbild
Wird ein trauriger Zeuge mir nun verhaßtester Wahrheit. Ja, das schwarze Bekenntniß entfloh den Lippen, die sonst nur Zärtliche Worte des Dankes mir sprachen und fühlender Freundschaft; Und das Verhältniß erscheint mir nun in schrecklicher Klarheit. Allzu lang nur umwölkte Vertraun den befangenen Blick mir;
Denn in schuldloser Brust wiegt blind und sicher sich Eros Stets, ein heiteres Kind, noch unbekannt mit dem Argwohn. Nur dem sträflichen Sinn erwacht die Furcht mit der Neigung; Diesem wird der Verrath ein hellersehender Amor. Wohl erklär’ ich den thätigern Fleiß nun, welcher die Schwester
Nur seit kurzem belebt; ich pries vertrauend und arglos Froh, als Tugend an ihr, die Frucht des tückischen Undanks. Aemsig sah ich sie immer bemüht zu dienen dem Jüngling; Lachte, Verdacht war mir fremd, der achtsam kindischen Sorgfalt. Schöner erfüllt in dem seinen sah stets ich den eigenen Wunsch mir;
Und so traf sie mein Herz, um das sie schmeichelnd ihr Netz schlang. Hatte der Lenze doch keiner, so schien mir’s, je noch der Blumen Gleiche Menge geweckt, frisch wanden an jeglichem Morgen Tausendfarbige Kränze sich rings um die Säulen des Eingangs Aus Diokles Hand, er saß im Schatten des Ahorns So beschäftigt mit ihr, ich pflegt’ indessen des Haushalts. Doch wenn am Abend sich nun die duftenden Kelche gesenket, Löste Likoris das volle Geflecht, aufs eigene Lager Streute die welkenden sie; oft scherzt’ ich daß sie, was mein sey, So mir raube, dann log die Falsche heitere Unschuld.
Ja, sie schlummerte süß auf weichen Blumen der Liebe, Von Diokles Hand für sie gereihet, ein Spott nur War ich beiden, ich fühl’s, und schaamroth glühet die Wange, Die unwillig sich jetzt von schimpflichen Zähren benetzt fühlt. O! der Thörin, die schon des Kummers volleste Schaale
Ganz geleeret wähnte; ihr blieb des bitteren Trankes Tödtende Hefe zurück. Beglückt ist, welchem das Schicksal Früh, mit schonender Hand entnimmt das Liebste, der Achtung, Ach! und der Thränen noch werth, des gern ernähreten Trauerns Süßen Zoll! Nicht drängt im Busen schmerzlicher Unmuth
Steigende Seufzer zurück; noch ringt, geschärftere Qualen Bringt kein Streit dem Herzen, mit Liebe dann die Verachtung. Doch was sag’ ich? mit Huld noch schauen himmlische Mächte Mich, die jegliches Schmerzes Vertraute, fremd noch der Schuld blieb. Denn mit zerstörender Macht ergreift sie rastlos des Armen
Busen, der einmal sie nur, die vielgestaltete, aufnahm. So entlehnte sie schlau der Liebe lockenden Liebreiz, Freundlicher Hoffnung Stimm’ und stahl sich leicht in Likoris Unbewahrtes Gemüth, das jedem Eindruck sich hingiebt. Ach! auf immer vielleicht verscheucht sie den Frieden der Unschuld
Aus der entweiheten Brust, vordem ein heiliger Wohnplatz. Streitende Leidenschaft regt, empört ihr die Tiefen der Seele, Raubt, vermählet der Angst, dem furchtsam lauschenden Mistraun, Ihren Nächten die Ruh und jede Freude dem Tage. In der Freundschaft Blick liest still sie den mahnenden Vorwurf,
Fühlet scheu und verwirrt im Arm der Liebe sich strafbar. Nein, zu strenge doch rächst, o Nemesis! du der Vergeltung Ernste Göttin, dir Schuld, und ach! in dem traurigen Herzen, Dem sie alles geraubt, erweckt die Glückliche Mitleid. Wie? und büßet auch er des Wankelsinnes Verschuldung
Mit verborgenem Schmerz? senkt trüb’ ein quälend Bewußtseyn Nun Diokles Stirn, die jüngst so heiter und frey mir Glänzte? Elend, er ists, ihr Götter! denn er ist treulos! Möchte der Liebenden doch auf immer verlohren sein Herz seyn, Hätt’ er der Tugend es nur, der Wahrheit treu noch bewahret!
Doch, gönnt rein ihr es nicht, tilgt ganz aus der Seele sein Bild mir. Nein! führt sie die ich liebte, verklärt, im Glanze der Unschuld An die verwundete Brust zurück, den Verirreten reicht’ ich Gern, versöhnet die Hand. Ich dank’ euch, himmlische Mächte! Tröstend senket ihr schon im Vorgefühle die Wonne Des Verzeihens mir in das Herz; mit gewaltigen Armen Hebt ihr empor die Schwache zu euern höheren Freuden. Doch du strebest umsonst, Unselige, länger ein Glück dir Festzuhalten, das streng ein gebietendes Schicksal dahinreißt. Also bemüht am Gestade sich noch der Arme, der Güter
Strandende Trümmer zu sammeln, von abwärts rollenden Wogen Weiter schon ihm entführt, er steht verarmt an dem Ufer Wo ihm der Hoffnung Ziel aus blauer Ferne gestrahlt hat. Also sprach voll Schmerz Simaitha, streitenden Entschluß In unruhiger Brust bewegend, heftete jetzt sie
Starr den düstern Blick hinaus auf die nächtliche Landschaft. Wehend graues Gewölk umzog die Sterne; nur Blitze Gossen, mit schwebendem Schein am fernen Saume des Himmels Zuckend, ein flüchtiges Licht umher; doch schnell wie es aufstrahlt, Schnell auch verschlang es die Nacht. So hellt der freundlichen Hoffnung
Lichter Funke vergebens den finstern Geist, die Erscheinung Eines Augenblicks nur, besiegt von der düsteren Trauer. Aber langsam erhob ihr strahlendes Auge die Jungfrau Dann, und der trockenen Wimper entstürzte, lindernd, der Zähren Reichlich fließender Strom, entlockt von sanfterer Wehmuth. Die ihr in schweigender Luft mit grünenden Armen emporstrebt,
Also rief sie bewegt: ihr dachumkränzende Pappeln; Traurend sah ich euch oft, wenn rauh, durch die schwankenden Aeste, Herbstlich sauste der Sturm, die falben Blätter entschüttelnd, Hoch im Wirbelwind mit wildem Spiele sie umtrieb, Und der schlankere Wipfel sich neigte, seufzend und schmucklos.
Mitleid bebte mir dann im Busen, des Lebens Empfindung Lieh ich dem traurenden Baum; und sollt’ ich es irrigen Wahn jetzt Nennen! Neigen sich nicht in einsam schweigender Nacht mir, Da der zerrüttende Sturm den eigenen Busen durchwühlet, Sanft die Wipfel herab? Sie säuseln freundliche Tröstung
Traurig flüsternd mir zu, und leisen zarteren Antheil.
?Fünfter Gesang. Grausam übst du die Macht, die über Götter und Menschen Dir verliehen ist, aus, o! schmerzerregender Eros! Kein Gesetz ist dir heilig, du überspringest mit Willkühr Kühn die Schranken der Pflicht, die ernst den Menschen gebietet.
Frevelnd versendest den Pfeil du, den leichtbeschwingten, vom goldnen Bogen, wie dir’s gelüstet. Der sittlichen alten Gewohnheit Achtest du nicht und zerreißest geprüfte Bande der Freundschaft. In des Jünglings Brust, in den reinen Busen der Jungfrau Gießest du lodernde Gluten, der Liebe schmerzliche Sorgen
Und die bittere Qual des Vorwurfs beiden bereitend. Keines entgehet dir je, und oft noch wähnet sich sicher Einer, dem sich der Pfeil schon tief in den Busen gesenket. Scheutest doch du dich nicht, dem Donnerschleuderer, Liebe In der göttlichen Brust erweckend, ihn vom Olympos
Schmeichelnd oft herab zu ziehn in der Sterblichen Wohnung. Ja in wildumgreifendem Frevel schonest du selbst nicht Auch der eigenen Mutter, der lächelnliebenden Küpris. Aber allein geschützt vor dir und deinem Geschosse Sind Mnemosynens Töchter, die lieblich redenden Musen,
Sie, die kundig des Lieds und kundig der tönenden Leyer, Thaten der Menschen singen, so wie der unsterblichen Götter, Welche die Liebe bethört; doch sie beschützt des Gesanges Zauber, den Busen bewegt allein der liebliche Wohllaut. Waltet huldreich denn, ihr hohen heiligen Jungfraun, Jetzt auch über mein Lied! Ich singe des schönen Diokles Heimlich lodernde Lieb’ und die Liebe der jungen Likoris. Ach! die Arme, sie hatte das sinneverwirrende Gift schon Aus dem ersten Blick des Jünglings gesogen, der ähnlich War den Göttern an Wuchs und edler blühender Bildung.
Doch ihm selber verstrickte mit falschen Netzen den Busen Eros und Himeros, schlau ihn den ersten Wegen entlockend. Denn Simaitha besaß sein Herz! Die höhere Schönheit Ehrt’ er fühlend in ihr, der Krone herrlicher Jungfraun; Doch zu nah erschien ihm der Unschuld rührender Liebreiz,
Welcher die Schwester schmückte; der Liebe früheste Regung Sah gerührt er durch sich im zarten Busen gewecket, Und so wandte sein Herz zum holdaufblühenden Mädchen Leis’ sich hin; denn schwer ists widerstehen der Neigung, Die, nicht Erwiederung fordernd, uns unbegränzet sich hingiebt.
Dankbar wähnte Diokles sich so und schon war er untreu. Höher hob sich stets und unerreichbar Simaitha Seinen Blicken empor, es schmiegte der jungen Likoris Liebelächelndes Bild sich enger dem Busen des Jünglings Und vertraulicher an, zu spät erwacht das Bewußtseyn,
Da der Leidenschaft Sturm schon allgewaltig ihn fortreißt. Also ermuntert vergebens sich einer, der an des Nachens Steuer entschlief, wenn entfesselt die Wuth der Orkane daherbraust. Nacht umhüllt ihm den Blick, die leitenden Sterne verschleyert Trüglicher Nebel, indeß, verirrt, das schwankende Fahrzeug
Nun des Okeanos Pfade, die wogenumthürmten, durchschneidet, Uferlos und fern vom heitern Gestade der Heimath.
Auch Diokles Aug’ schloß nicht sich heute zum Schlummer, Sorgen hielten ihn wach! So schien, im bangen Gefühl, ihm Länger die säumende Nacht, und kaum erröthet, in Osten,
Heiter das graue Gewölk und kündet den nahenden Tag an, Als er, den Morgen zu grüßen, aus seines Gemaches Umdämmrung Eilt, auf bethauetem Pfad, den dichtangränzenden Weinberg Aufwärts wandelnd, er stand umblickend still, wo der Fußsteig Führte zum ebenen Rund, der Höhe Gipfel, hier dehnte,
Nur mit Bänken umfaßt, sich frey der geräumige Platz aus; Unbegränzet rings eröffnete weit sich die Aussicht In die heiteren Thäler des reichen blühenden Eilands, Das die felsigen Ufer aus grünlichen Fluten emporhebt. Und schon glühte das Meer, von des weitwallenden Schleyers
Purpur herrlich gefärbt, der um der rosigen Aeos Antlitz flatternd weht, der Fluten heiteren Spiegel Kräuselt aus Osten der Wind, der jedem Blatte Bewegung Giebt, mit schmeichelndem Hauch die zarten Knospen umsäuselnd, Daß sie zu Blüthen entfaltet, im Glanz erröthender Unschuld, Prangten, und lieblichem Duft, mit Perlen des Thaues umschimmert, Der vom flüsternden Laub ein sanfter Regen herabträuft. Aber schmerzlich kehrte die sinnenden Blicke der Jüngling Zu dem bescheidenen Dach, in dessen stiller Umschirmung Stets der Friede gewohnt und bey der Freude die Eintracht.
Fliehen sah er im Geist die alten Götter der Ruhe, Die beschützend vordem gewaltet am häuslichen Altar, Grausam nun verscheucht durch Eros verderbliche Willkühr. Ja, ihm schien auf immer in trüb verschleyerter Zukunft Jeder Ausweg verhüllt, und ängstlich sann er vergebens
Rettende Mittel und schalt des Herzens traurige Schwachheit. Als er den Blick erhebend, nicht fern die junge Likoris Unten vor sich sah, die rasch die Steile hinanstieg. Zu Diokles wandte sie schon die Blicke mit Sehnsucht, Der auf der Höhe sich zeigt und jetzt erschrocken zurückschwankt.
Gleich dem träumenden Mann, der das sichere Lager, bewußtlos, Blind hinwandelnd, verläßt; auf Nachtumhülletem Pfade Schreitet er ahndungslos, umringt mit dunklen Gefahren. Wenn sein Name nun plötzlich ins Ohr ihm tönt, er erwachend, Scheu, mit starrem Entsetzen das Auge wendet vom Abgrund,
Welcher zur Seit’ ihm droht, er steht mit zweifelndem Entschluß, Ob er den strauchelnden Fuß zurücke, ob er ihn vorwärts Setze, noch hält ihn die Furcht des nahen Sturzes gefesselt, Wo er in schwindelnder Angst nun unvermeidlich ihm vorschwebt. Also Diokles, er spähte bestürzt die Wege zur Flucht noch,
Als, den schwebenden Tritt beflügelnd, zunächst ihm das Mädchen Schon, das eilende, stand, die hochgeröthete Wange An die Schulter ihm lehnte. Des Busens schnelleres Klopfen Hemmte noch ihr die Rede; sie schaute tief athmend und sprachlos, Still zu ihm empor; doch abgewendet das Antlitz,
Mühsam Kälte heuchelnd, berief sie also der Jüngling: Unbesonnen doch eilst und wählst du den steileren Fußsteig, Da der bequemere Gang sich sanft an dem Hügel hinanzieht! Sieh’ dir glühet die Wang’ und schädliche Kühlung umwehet Hier dir die brennende Stirn, doch lohnt das herrliche Schauspiel
Wohl den beschwerlichen Gang! Du kommst noch eben den Aufgang Hier der Sonne zu sehn, die heut, in blendender Klarheit, Aus dem wogenden Bad des weiten Meeres heraufsteigt. Schau wie, das lichte Gewölk durchbrechend, blitzende Strahlen Aufwärts schießen. So wirkt in den zart durchsichtigen Schleyer,
Klug vertheilend, geschickt, die Weberin schimmerndes Gold ein. Hell auch glänzen die Zinnen der Stadt und die heiteren Söller! Aber, heftig bewegt, entgegnet ihm eilig die Jungfrau: Schweig! o schweige hievon! Du zeigest wozu mir das Auge, Ach! wozu mir auch jetzt der unbefangene Sinn fehlt. Wohl gedenk ich der frühern Zeit noch, da ich den Hügel Still aufwandelnd erstieg, der Morgenröthe begegnend; Doch nicht also heut; des Herzens heftige Regung Sie verschlingt, wie des Meers empörte Wellen des Mondes Heitern Abglanz, mir der Natur erfreuliches Schauspiel.
Dich nur sucht’ ich anjetzt, ich sehe dich nur allein hier. Siehe! mit Bitten steh ich vor dir, ach! aber bestrafe Nicht den vielleicht befremdenden Wunsch, mit versagendem Unmuth. Thöricht scheinet wohl oft und unbesonnen der Entschluß, Den ein Gott in die Brust, unsichtbar tröstend, uns senkte;
Also erfüllet auch mir ein Wunsch die Seele, von dir nur, Rühret mein Flehen dich jetzt, erwart ich froh die Gewährung. Denn als gestern du so fromm der kränkelnden Mutter Dachtest, welche nach dir sich sehnet in einsamer Wohnung, Sieh! da ergriff mich lebendig der Wunsch, die Theure zu pflegen,
Tröstlich vielleicht ihr zu seyn. Die willigste Sklavin erwartet Um zu gehorchen doch erst Befehle der Frau, und der Kranken Stets abwechselnde Wünsche belauscht die sorgende Tochter. Mutter werde sie mir, die Würdige, da sie mich aufnimmt. Staunend trittst du zurück! Du weißt es selber, verschieden
War von diesem noch kurz, und fest, so schien es, mein Vorsatz, Stets bey der Schwester zu weilen, bey ihr die der dunkleren Kindheit Treue Pflegerin war, und dann dem wachsenden Mädchen Traute Gespielin erschien und freundlich belehrendes Beyspiel. Glücklich wähnt’ ich mich schon, wenn ich beglückt nur die Schwester,
Die geliebteste, säh, vereinet mit ihrem Erwählten; Doch jetzt fühl ich’s! es stört doch nur die lästige Zeugin Euch im heitern Genuß, auch zieht das ähnliche Schicksal Nun die Einsame hin, zu ihr, die verlassen wie sie ist. O gewähre die Bitte! Geleite selbst mich zur Mutter,
Und als Geschenke des Sohns, des theuren, grüßt sie vielleicht dann, Sanft, willkommen mich auch, mich Unerfahrne belehrt sie. Wenn mit der Spindel bey ihr ich sitze, wenn an dem Webstuhl Hin und wieder die Hand bewegt das glänzende Schifflein; Dann erneuet sich ihr mit Wehmuth süß die Erinnrung
Jener früheren Zeit, wo stets im Kreise der Knaben Du der schönste gewandelt, bey jeder munteren Uebung Auch der erste der Schaar, wie bald du zum männlichen Jüngling Reiftest, ihr zur Lust, und für das Alter die Hoffnung. Aber es weinen die Fraun, die dienenden, wenn sie die Thränen
Der Gebieterin sehn, die nun den Entfernten betrauert, Und in den Schooß entsinkt aus fleißigen Händen die Arbeit. Wohl befraget jede mich dann: ob auch die Beglückte Seiner würdig sey, sie die er sich wählte zur Gattin? Und nicht zaudernd kalt, nein schnell, mit freudiger Neigung, Sprech ich herzlich es aus das Lob der trefflichsten Jungfrau, Die vor allen allein die deine zu heißen nur werth war. Doch wenn das Tagewerk nun vollendet ist, stillere Nacht herrscht, Schleich ich, vom Schleyer umhüllt, an jenes Ufer, von dem uns Gestern der Vater erzählt’, mich leitet die treue Beschreibung
Sicher zum Felsen hinan, den wild umschäumet die Brandung. Ringsum schweifet der Blick und mißt mit Schaudern des Abgrunds Tiefen. Wie! du erbleichst? O zittre nicht! Um wie jene Tief in tobender Fluth den brennenden Schmerz zu versenken Dazu ach! versagte den hohen Muth die Natur mir.
Und du täuschtest mich nicht, nie hast du mir Liebe geheuchelt! Also Likoris, es löst ihr rasches Wort das Geheimniß Von der geängsteten Brust, und länger bezähmte Diokles Nicht des eignen Gefühls allmächtig stürmende Regung, Die er schweigend bekämpft und die jetzt siegend ihn hinriß,
Daß sein kräftiger Arm sie umschlang und sie fest an der Brust hielt. Aber ihm am Busen verbarg die glühende Wange Schamhaft scheu das Mädchen, indeß sie bebend ihn fest hielt. Lauter klopften vereint und gleichen Schlages die Herzen, Die sich sehnend so lang entgegen wallten, und höher
Hob sich der Glücklichen Brust in stummer süßer Berauschung. Aber plötzlich entwand dem Arm des geliebtesten Jünglings Wild die Liebende sich; Aufschreyend barg sie das Antlitz Tief in den moosichten Sitz, mit ängstlich gefalteten Händen, Wies den Nahenden weg, ihn mit stummen Zeichen entfernend.
Doch gesammelter stand Diokles, Mitleid und Rührung Hüllte sein liebend Gemüth, und, zart mit Sorge sich neigend, Sprach er also zu ihr: Faßt denn die Reue so grausam Quälend die reine Brust dir jetzo, daß ein Geständniß Diesen Lippen entfloh, die niemals noch der Verstellung
Sprache kannten, dies Herz kennt nur die Lieb und die Wahrheit. Sprich! was Entzücken mir gab erregts dir so bittere Schmerzen? Nimmer wird doch, so lange das Leben währet, ein Ton mir Mehr das Ohr erfreun mit schmeichelnd süßerem Wohllaut. Aber wie ich mit dir der Liebe kurzes Entzücken
Theilte, also auch theil’ ich den ernsten, edleren Entschluß; Meinem Worte vertrau. O! weigre nicht, mir dein Anschaun! Fliehen doch Feinde sich nur mit scheu gehässigem Mißtraun! Bald auf immer ja trennt das Schicksal uns, und es sondert Diese Stunde, die schöne, sich ab von den jüngeren Schwestern,
Wie der hellere Stern allein am Abend heraufstrahlt. Einmal gönne mir denn, zum letzten male, den Blick noch, Der dein Herz mir enthüllend, so tief das meine bewegt hat. Da erhob sie das Haupt und sank mit Schluchzen dem Jüngling In den Arm, der die Zähren von schattender Wimper ihr aufküßt. Als liebkosend er nun sie sanft getröstet, enteilt er Festen Schrittes und schnell. Es breitete weinend Likoris Sehnende Arme nach ihm, vergebens hoffend, so lange Sichtbar dem liebenden Blick der Wandelnde, ob er das Haupt noch Rückwärts wende, das schöne, in dessen Locken der West spielt.
Sechster Gesang. Ungesäumet betrat und still entschlossen der Jüngling Nun das innre Gemach, doch schüchtern sich der Verlobten Nahend; ihn quälte die Furcht, der Seele tiefstes Geheimniß Uebereilt ihr vielleicht, mit raschem Wort, zu verrathen;
Und noch schwieg er beschämt, da, gegenüber der Jungfrau, Er den forschenden Blick des klaren Auges begegnet; Doch, gesammelter bald, sprach also, mit Fassung, Diokles: Sey mir du Treffliche heut gegrüßet, aber verzeihe Wenn ich am festlichen Tag, der unserm Bunde geweiht ist,
Mit dem liebenden Gruß die fremde Bitte zugleich dir Auch entgegen bringe; doch wohlbekannt ist mein Herz ja Schon, das offene, dir, das den unsträflichen Wunsch nicht Lang’ in sich verschließt und ängstlich zweifelnd geheim hält. Höre liebreich denn, mit hold begegnender Nachsicht,
Was schon längst vielleicht, im Stillen, mit heimlicher Unruh Auch, und störender Sorge das ernste Gemüth dir bewegt hat. Innig verbanden bis jetzt des Dankes heitere Pflichten Dir die jüngere Schwester, für welche du Freundin und Mutter Warest, und die du vom eisernen Druck verjährter Gewohnheit,
Die sie zur Magd dir bestimmt, befreytest mit seltener Großmuth; Aber es ändert sich bald, so fürcht ich, das schöne Verhältniß. Einsam wird sie sich sehn, wenn nun der Gattin und Mutter Süße Sorgen von ihr dich abziehn, traurige Zeugin Eines Glückes, das sie nicht theilt und mit schweigendem Neid nur Ansieht. Tadle sie nicht, ihr ward ja die gleiche Bestimmung! Kannte je sie vorher getrennte Freuden? Genossin War sie dir unschuldiger Lust, wie heiterer Arbeit. Doch ein Ausweg bleibt; ich selbst geleite, wofern du Dieses billigst, alsbald zu meiner Mutter das Mägdlein,
Die, so kenn’ ich sie, gern als Tochter die Liebliche aufnimmt. Auch, daß dir nicht darum entgeh die gewohnte Bedingung, Sorg’ ich. Die mich gebahr erzieht seit Jahren mit Sorgfalt, Sich zum eigenen Dienst, zwey Mädchen, welche den Haushalt Klug zu führen verstehn, in zierlichen Künsten der Pallas
Durch die Erfahrene selbst belehret. Schöner die weiche Wolle zu färben besaß Arachne nicht das Geheimniß, Noch ein zarter Gespinnst zu drehn, auch entwallte dem Webstuhl Manches Schimmergewand von ihren Händen gefertigt. Dieser eine nun giebt dir gern zum Ersatze die Mutter,
Rüstiger fördert sie dir und besser, meyn’ ich, die Arbeit, Statt der jungen Likoris, die kaum entwachsen der Kindheit. Und, sie ganz zu beglücken, erwähl ich selber, bedächtig, Unter den Jugendgenossen, für sie den würdigsten Jüngling. Welcher sie liebend begehrt und dem sie freudig sich hingiebt.
Aber, daß sie nicht arm beschämt sich fühle, bereit’ ich, Dies verstatte du noch, für das Mädchen die schickliche Mitgift. Keine Schwester, du weißt’s, entzieht mir des reichlichen Erbtheils Vollen Besitz für mich, von liebenden Eltern gesammelt. Ja aufs neue besiege die unnatürliche Sitte,
Welche der Jüngeren hier, zugleich mit der lieblichen Freyheit, Auch die heiteren Bande beglückender Ehe versaget; Und du erfreust dich des Bundes dann, den du selber geknüpft hast. Also Diokles; und jetzt, indeß er der zögernden Antwort Still noch harret, bewegt der Wünsche peinlicher Zwiespalt
Ihm das tiefste Gemüth, denn mit der zweifelnden Sorge Ob die Bitte ihm wohl, die fromme, weigre Simaitha? Stritt, so wollt’ es Eros, die bängere Furcht vor Gewährung. Doch ihr selber entnahm die ernste Bitte des Jünglings Jenen stillen Verdacht, und scheuchte die Wolke des Trübsinns,
Welche der Jungfrau Stirn mit dunkler Trauer umhüllte. Also verdunkelt erscheint des Sees heitere Fläche, Wenn ein dräuend Gewölk auf die Berge sich senkt und es rauschen Trüb die Wellen empor, die beweglichen; nächtliche Schatten Schwanken die Ufer hinan, bis schnell ein günstiger Lufthauch,
Siegend, die Dünste zerstreut und schön, aufs neue, gespiegelt Dann von der ruhigen Fluth der Himmel glänzend zurückstrahlt; Also, befreyet auch jetzt vom dunkel schwankenden Argwohn, Oeffnet das reine Gemüth sich gern der tröstenden Wahrheit. Klar durchschaut sie nun mit stillem Sinn das Verhältniß, Und zu dem Jüngling gewandt erwiedert’ also die Jungfrau: Recht ist was du begehrst, und hold begegnet Erfüllung Deinem Wunsche schon, der auch den früheren Entschluß Tief im Busen mir stählt; zu theuer kaufet der Ruhe Hohes Kleinod sich nie, und nun erring ich es leichter,
Da dein Sinn mir bekannt. So sey uns nimmer Likoris Zeugin künftigen Glücks! Der kränkelnden Mutter vergönn’ ich Gern zur Pflegerin sie, und dann vereinet dem Jüngling, Der sie vor allen erwählte, dem froh sie und liebend sich hingiebt. Ja so wird mir vielleicht der Schmerz des herben Verlustes
Durch ein schöneres Glück, das ich begründe, gemildert. Aber gehe mein Freund! den Vater rufe! das Opfer Wünscht’ ich früher vollbracht, das segenerflehende, bald sonst Kommt der Gespielinnen lärmende Schaar! doch der stillere Sinn nur Nahet mit frohem Gebet allein sich würdig der Gottheit.
Dieses sprach sie, und tief erschüttert eilte der Jüngling. Aber die Stufen hinan durchflog die Halle des Eingangs Thestülis festlich geschmückt, ihr rief beweget Simaitha Frohen Willkommen entgegen und sank in der Freundin Umarmung. Leise lächelnd entfaltet die Kommende dann vor der Jungfrau
Schnell ein zartes Geweb von seltnen Farben und Schönheit. Also prangen, gepflegt von fleißiger Hand, Anemonen, Purpurschimmernd, vom Blut der schönen Küpris geröthet. Und mit innigen Worten der Liebe redet sie also: Nimm dies Brautgeschenk, Simaitha, trefflichste Jungfrau!
Die du, den scherzenden Kreis der Jugendgespielen verlassend, Heute dem Gatten dich giebst! Der Neuvermählten umwallet Dieser Schleyer das Haupt, auch flocht ich selber der Myrthe Blühend Gewinde dir hier! schön schmücke heut die Beglückte Hymens lieblicher Kranz, den die Hand der Jugendgespielin
Jetzt in des goldenen Haars verschlungene Flechten befestigt. Doch nicht seh ich wie sonst sie rings, mit zierlicher Ordnung, Dir um die Scheitel gelegt! in tiefen Schwingungen sinken Sie zur Schulter herab! Den losen Geflechten entschlüpfet Lang die wallende Locke, da sonst nur zartes Gekräusel
Um den Nacken dir spielt; so seh ich dich heute, mit Staunen, Zwar nicht minder schön, doch ungemäß der Gewohnheit. Wo denn säumet Likoris? und übt am festlichen Tag sie Also läßig den Dienst? Doch halt! Es flammt wie ein Blitzstrahl Ein Gedanke mir auf, den, ach! dein Schweigen bestätigt.
Trog mein Auge mich nicht? die Freundschaft schärft es, und ehrst du Nun im warnenden Traum den heiligen Boten der Götter? Was entdecktest du? sprich! ist noch unkundig Diokles Ihrer Neigung? belehrte nur dich vielleicht ein Geständniß, Oder theilet er selbst der sträflichen Liebe Geheimniß?
Unmuth aber im Blick und schweigend kehrte Simaitha Von der Fragenden jetzt mit ernstem Zürnen das Antlitz. Welch unseliger Gabe, so sprach sie heftig, berühmst du, Selbstgefällig, dich doch, entschleyert stets nur die Zukunft Dann, die verhüllte, zu sehn, wenn Schmerz ihr und Trauer gesellt ist!
Nein! du achtest fürwahr den Jammer nicht der Gespielin, Wenn sich der Traum nur bewährt, der unheilbringende; dennoch Löset noch diese Stunde den Knoten, wie es die Ahndung Nie dir sagte, dann steht vielleicht erstaunt die Prophetin.
So die Jungfrau; doch schnell, durchdrungen von inniger Wehmuth,
Rief sie mit Heftigkeit aus: Vergieb! es wühlet, zerstöhrend, Tief im Busen der Schmerz, vertilgend reißt er, gewaltsam, Jenes sanftere Band der Lieb’ aus blutender Brust mir. Auch der Freundschaft Hand berührt die verwundete schmerzlich. Alles schwanket um mich, je näher mir der Entscheidung
Banger Augenblick schwebt, und fest nur steht der Entschluß mir. Also sprach sie bewegt, ihr schluchzt an dem Busen die Freundin, Und still weinend hielten sich lang’ umschlungen die Jungfraun.
Aber sie trennten sich nun, da im Feyergewande Diokles, Von dem festlichen Zug umgeben, langsam herannaht.
Heiter schreitet Filemos voran, um die silbernen Locken Prangt ihm ein farbiger Kranz, er hebt die flammende Fackel Wohlgefällig empor, ihn freut das Gepränge der Hochzeit. Mit gesenketem Blick geht neben den Vater Likoris. Aber als er um sich die Kinder im Kreise gesammelt,
Reicht er, feyerlich ernst, dem bleichen bebenden Mädchen Hymens heilige Fackel, die heiter lodernd den Zug führt, Tief gerühret gedenkt er zugleich der verlohrenen Gattin, Welcher dies Amt gebührt, und ruft mit herzlicher Trauer: Nimmer hoffe der Mensch daß, je vollkommenen Glückes
Sich zu erfreun, ihm vergönnt sey, denn es gesellt sich Stets der süßeren Freude zugleich der herbere Schmerz bey. Also mahnet die Feyer der froherwünschten Verbindung Doppelt schmerzlich aufs neu an den vielbeweinten Verlust mich. Hätten der liebenden Mutter die Götter des späteren Alters
Ruhige Tage vergönnt, wie froh verwaltete heute Nun die Theure dies Amt, womit ich dich, o Likoris! Als die liebende Schwester vor allen zu ehren gesinnt bin. Also redet Filemos; er wähnte sie hoch zu erfreuen, Da er unwissend ihr noch geschärftere Qualen bereitet.
Weiter schreitet der Zug, der festliche, welchen Likoris Ach! gezwungen nun selbst, mit zögernden Schritten nur anführt. Langsam wankte sie so der Halle zu, wo ein Altar Lodernd harrte, indeß ringsher die heil’gen Geräthe Dienende Knaben bereitet, es dampfte die Wolke des Weihrauchs.
Doch als mit zitterndem Fuß sie nun die Schwelle berührte, Jetzt im Kreis um sich die Zeichen sah der Vermählung, Sank aus zuckender Hand die lodernde Fackel, es sanken Fackel und Mädchen zugleich, und wie, ersterbend, die Flamme Auslöscht, also mit ihr das Auge in tödtlicher Ohnmacht.
Schnell drang alles herbey! Doch sich und alle vergessend, Die mit staunendem Blick ihm weichen, warf an der Pforte Auch Diokles sich hin, er faßte, mit mächtigen Armen, Sie, so hielt er sie fest, nicht mehr die heimlich Geliebte. Aengstliche Liebe verrieth das schreckentstellete Antlitz,
Und der Odem stockt’ im beklommenen Busen des Jünglings, Da, mit unsicherer Hand, er des Lebens zögernde Pulse Noch vergebens suchte, und so erstarret und leblos Sah die zarte Gestalt, die hingestreckt auf den Marmor Selbst ein Marmorbild erschien. So lieget am Altar
Still verblutend das Opfer, indeß aus dunkeler Wunde Purpurnes Leben verströmt, das warme; in starrer Ermattung Ruhen die Glieder, es schließt, erlöschend, das Auge sich langsam; Nur der schnellere Schlag des Herzens, er strebet noch krampfhaft Das entfliehende Blut zurückzuziehn, doch vergebens,
Zeigt mit dem Leben zugleich des Todes nahende Schreckniß. Also lag Likoris, vom Arm umfangen des Jünglings, Der bewußtlos noch dem lauten Schmerze sich hingab, Als Simaitha bewegt zu ihr sich neigte, das Auge Still erhob und sprach: Erweckt sie! verschmähet das Opfer,
Götter, das freudige; nicht, das euch bestimmet, des Hades Dunkle Gewalten laßt sie nicht unwillig hinabziehn.
Da, beym Klange der Stimme, der wohlbekannten, ermannt er Schnell sich, aber zugleich kehrt des Vergangnen Bewußtseyn, Ihn beschämend, zurück, er ruft mit gesenketem Blicke:
Herrlich stehest du, Hohe! als ruhig waltende Gottheit Zwischen Sterblichen hier, die blinde Leidenschaft hinreißt! So auch neige dein Ohr der Stimme, welche vielleicht nicht Mehr zum Herzen dir dringt, doch schuldbewußt zu verstummen Heißt das meine mich nicht; ich darf es kühn dir enthüllen.
Strafbar steh ich vor dir, doch nicht der heiligen Treue Frecher Verräther, es wiegte die Sinne gefälliger Irrthum, Schmeichelnd, in täuschende Ruh, ja dir entdeckt dies Bekenntniß Kein bekanntes Gefühl, dem lange der edlere Vorsatz Streitend begegnet, wie dir gesteh ich unwillig mir’s selber
Jetzt zum erstenmal, mit schmerzlich tiefer Empfindung. Ja, ich wähnte bis jetzt die schnell aufkeimende Neigung Muthig bald zu besiegen und glaubte, deiner nicht unwerth, Hier dir zur Seite zu gehn, die festen Bande zu knüpfen. Doch ich fühl es, mir wand ein feindlich waltendes Schicksal Längst um die Seele das Band, das neue, schon, und vergebens Strebt’ ich entgegen der Macht, die, unnatürlich, zur Qual, mir Liebe im Herzen belebt, wo nie sie genähret die Hoffnung. Alles weißt du nun, du Treffliche, die ich beleidigt, Wie ich selbst mich betrog. Dich kränke nicht länger mein Anblick;
Nun verlaß ich auf immer die nicht mehr freundliche Heimath. Lebe denn wohl! Es stützt zu sicher die Erde den Fuß mir, Und das Meer gesellt, das wildbewegte, sich besser Dem stets schwankenden Sinn, der wie die Woge den Winden Jedem Drange sich neigt, verirrt auf empöreter Meerfluth.
Halt und endige nicht! rief sie, der er scheidend die Hand bot, Mit gebietendem Ernst sie fassend: ach! es verschlangen Trauriger Opfer genug die gierigen Fluten, bewahre Du für die Liebende dich, die neu dir ins Leben zurückkehrt. Sie verhieß ich dir schon, da heute die ernstliche Bitte
Mir mit schönem Vertraun enthüllte deine Gesinnung, So den Entschluß mir bestimmte, der schon in dem Busen mir aufstieg. Ja, ich löse die Fessel und gönne willig der Schwester Daß sie des Gatten sich freue, der doch sie vor allen erwählet, Dem sie liebend sich gab, du bist es selber, o Jüngling!
Und ich freue mich so des Bundes, den ich geknüpfet. Und zu dem Vater der stumm, ihm hielt Erstaunen und Unmuth Noch die Zunge gefesselt, trat still gerühret Simaitha Und umfaßte mit Bitten das silberlockige Haupt ihm. Laß, o Vater! doch jetzt, durch ruhige Worte besänftigt,
Das Befremdende nicht zum Zorn dich reizen, noch stöhre, Streng mißbilligend, nun der Liebe neueres Bündniß. Zorn ergreife dir nicht den Busen, hier wo der Weihrauch Gütigen Göttern dampft, die frohe Opfer herabziehn! Fromm ja ehrst du sie stets; auch dies ist der Himmlischen Fügung.
Freundlich bilden hienieden sie eins für’s andre, sie führen Die Verwandten sich zu, daß froh gesellet den Pfad wir, Den unebenen, wandeln des Lebens, in der Vereinung Süßem Genuß, doch zerreißt allmächtig das waltende Schicksal Jenen ersten Bund, strebt umsonst das Verwaiste von neuem
Festzuhalten ein Herz, das, unbewußt, durch den Rathschluß Höherer Mächte schon der andern Liebe bestimmt war. Und mit dem bräutlichen Schleyer, der nur so kurz ihr die Stirne Rosig umwallet, bedeckte die Jungfrau schweigend der Schwester Haupt, die kniend noch lag, und, bleich gelehnt an den Jüngling,
Stumm, mit flehendem Blick, die zarten Arm’ ihr empor hob, Dann mit festerer Hand die verglimmende Fackel erhebend, Sprach, zu den Liebenden sanft gewendet, also Simaitha: Traurig bedeutend erlosch, in der Leidenschaft Hand, Hymenaios Heitres Licht mir, euch Beiden entzünd’ es schöner die Freundschaft.
Jetzund theilte sie mächtig den Kreis, der sich drängend gesammelt, Und umschlang den Altar, in dessen lodernde Flammen Sie die Myrthe versenkte, den Schmuck der Locken. Verkläret Strahlt, in der Ruhe milderndem Glanz nun der Herrlichen Antlitz, Da mit aufstrebendem Blick sie rief: O! Estia, höre!
Dir, des reinen Feuers Bewahrerin, heilige Göttin, Weih’ ich freudig dies Haupt, das zweymal freundlich der Liebe Blüthen umflochten, und jetzt, des Schmuckes mit Willen beraubet, Ganz dein eigen wird! Schon steigt aus dem bräutlichen Kranze Höher empor die Flamme zu dir, so tilge mir huldreich.
Auch die Erinnrung des Leids und ich umwinde, voll Dankes, Mir die erheiterte Stirn mit der Priesterin heiliger Binde.
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:41 von 2rhyme
Autor: Amalie von Helvig
Quelle: de.wikisource.org
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