Der Mohrenkönig (Andere Gedichte)
Der Mohrenkönig. In’s Exil der Alpuxarren Zog der junge Mohrenkönig; Schweigsam und das Herz voll Kummer Ritt er an des Zuges Spitze.
Hinter ihm auf hohen Zeltern Oder auch in güldnen Sänften Saßen seines Hauses Frauen; Schwarze Mägde trägt das Maulthier. Hundert treue Diener folgen
Auf arabisch edlen Rappen; Stolze Gäule, doch die Reiter Hängen schlottrig in den Sätteln. Keine Zymbel, keine Pauke, Kein Gesangeslaut ertönte;
Nur des Maulthiers Silberglöckchen Wimmern schmerzlich in der Stille.
Auf der Höhe, wo der Blick In’s Duero-Thal hinabschweift, Und die Zinnen von Granada
Sichtbar sind zum letzten Male: Dorten stieg vom Pferd der König Und betrachtete die Stadt, Die im Abendlichte glänzte, Wie geschmückt mit Gold und Purpur.
Aber, Allah! Welch ein Anblick! Statt des vielgeliebten Halbmonds, Prangen Spaniens Kreuz und Fahnen Auf den Thürmen der Alhambra. Ach, bei diesem Anblick brachen
Aus des Königs Brust die Seufzer, Thränen überströmten plötzlich Wie ein Sturzbach seine Wangen. Düster von dem hohen Zelter Schaut herab des Königs Mutter,
Schaut auf ihres Sohnes Jammer, Und sie schalt ihn stolz und bitter.
„Boabdil el Chico,“ sprach sie, „Wie ein Weib beweinst du jetzo Jene Stadt, die du nicht wußtest
Zu vertheid’gen wie ein Mann.“ Als des Königs liebste Kebsin Solche harte Rede hörte, Stürzte sie aus ihrer Sänfte Und umhalste den Gebieter.
„Boabdil el Chico,“ sprach sie, „Tröste dich, mein Heißgeliebter, Aus dem Abgrund deines Elends Blüht hervor ein schöner Lorbeer. „Nicht allein der Triumphator,
Nicht allein der sieggekrönte Günstling jener blinden Göttin, Auch der blut’ge Sohn des Unglücks, „Auch der heldenmüth’ge Kämpfer, Der dem ungeheuren Schicksal
Unterlag, wird ewig leben In der Menschen Angedenken.“
„Berg des letzten Mohrenseufzers“ Heißt bis auf den heut’gen Tag Jene Höhe, wo der König
Sah zum letzten Mal Granada. Lieblich hat die Zeit erfüllet Seiner Liebsten Prophezeiung, Und des Mohrenkönigs Name Ward verherrlicht und gefeiert.
Nimmer wird sein Ruhm verhallen, Ehe nicht die letzte Saite Schnarrend losspringt von der letzten Andalusischen Guitarre.
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:17 von 2rhyme
Autor: Heinrich Heine
Quelle: de.wikisource.org
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