Die Vielgeliebte (Andere Gedichte)
Die Vielgeliebte. Meiner Vielgeliebten gleich Ist kein Mädchen in dem Reich; Eine bessre Beute Macht kein Fürst; drum trag ich sie
Auf den Händen, lasse nie Sie von meiner Seite. Früh, eh noch der Morgen graut, Hängt die Liebliche vertraut Schon an meinem Munde;
O wie brennt sie heiss für mich! Wer ist froher dann als ich Auf dem Erdenrunde? Dieses süsse Lippenspiel Wird mir nimmermehr zu viel;
Und in langen Zügen Schlürf’ ich gierig manche Stund’ Aus dem schön geformten Mund Labung und Vergnügen. Manches Silberkettchen wand
Meine pflegerische Hand, Manches Band von Seiden Um den schönen Hals; es muss, Wer sie sieht, mir den Genuss Dieser Holden neiden.
Schwirrt der Sorgen düstrer Schwarm Mir vor Augen, drückt der Harm Meine Seele nieder: O dann fühl’ ich ihren Wert; Denn aus ihrem Munde kehrt
Ruh und Friede wieder. Abends bei dem Mondenschein Lieg’ ich oft mit ihr allein Hingestreckt im Grase; Manches Mädchen, jung und schön,
Rümpft dann im Vorübergehn Ueber sie die Nase.
Mancher reiche Muselmann Schafft sich deren viele an, Liebt sie alle treue.
Wird von einer heut beseelt, Und am andern Morgen wählt Er sich eine neue. Lass, o Schicksal, sie mir nur! Sie ist mir von der Natur
Eine süsse Gabe. Feste, Gunst der grossen Herr’n, Tanz und Spiel verlass ich gern, Wenn ich sie nur habe. Wenn man schmählich von ihr spricht,
Thu ich, als bemerkt’ ich’s nicht, Ob ich’s gleich begreife; Mag sie auch verschmähet sein, Sie bleibt dennoch immer mein: – Meine Tabakspfeife! Von einem Ungenannten (Ende d. 18. Jahrh.).
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:43 von 2rhyme
Autor: Die zehnte Muse
Quelle: de.wikisource.org
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