Der Ungetreue (Andere Gedichte)
Der Ungetreue. Du sprichst, ich sei dir ungetreu, Mein Engel, glaub’ es nicht, Ich lieb’ dich ohne Heuchelei, Bis mir das Herze bricht;
Und wenn ich gleich zum Zeitvertreib Bei einer andern stehen bleib’, So glaub’, mein Engel, glaube mir: Mich dünkt, ich steh’ bei dir. Sprichst du, das wäre leidlich noch,
Wenn’s nur nicht weiter käm’, Allein, mein Kind, bedenke doch Und dich nicht ferner gräm’; Und wenn ich gleich zum Possenspiel Ein ander Mädchen küssen will,
So glaub’, mein Engel, glaube mir: Mich dünkt, ich tät’ es dir. Drum stelle nur dein Eifern ein, Schlag’ alles aus dem Sinn, Es kann dir nicht nachteilig sein,
Dass ich nicht bei dir bin; Und wenn es endlich so weit käm, Dass sie mich mit zu Bette nähm’, So glaub’, mein Engel’ glaube mir: Mich dünkt, ich schlief bei dir.
Mich dünkt, ich fühle deinen Schoss, Wenn ich die Flamme kühl’, Es giebt sich unsere Liebe bloss, Wenn ich mit andern spiel; Und wenn ich auch nach Jahreszeit
Mit einem Kindchen werd’ erfreut, So glaub’, mein Engel, glaube mir: Mich dünkt, es wär’ von dir! (Aus der Handschrift des Fräulein von Crailsheim. 18. Jahrhundert.)
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:24 von 2rhyme
Autor: Die zehnte Muse
Quelle: de.wikisource.org
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