Fragment (Andere Gedichte)
Fragment (Zwiegespräch) Nur wer Mut zum Leben hat, hat auch Mut zum Sterben! Überwindung des Todes ist höchste Lebensleistung. Des Lebens Sinn ist, daß es sinnlos ist; Doch du und ich, wir wissen, daß der Mensch, Ist er nicht tot, ihm einen Sinn muß geben. Du mit dem Königsstab, vor dem sie knieen,
Machst Stein zu Brot, und siehe da! sie küssen Den Saum dir, weil du ihren Bauch gefüllt, Und weil sie ruhig unterm Szepter wohnen. Ich, auf des Traumes Flügeln, suche mir Das Reich der Güte und der Menschlichkeit,
Wohin dein mächt’ger Königsstab nicht reicht. Daß Wahrheit hier wie dort und beides Trug, Das Rätsel löst auf Erden dir kein Weiser. Du zimmerst Rätsel dir, wo keine sind. Die Tat allein ist Sieg und Sieg ist Wahrheit.
Wer selbst nicht denkt, verlacht der andern Rätsel. Mir strahlt ein scheu Geheimnis durch die Seele: Der Traum besiegt die Tat, das Kind den Mann. Des Kindes Seele trägt des Lebens Krone. Und aller Paradiese Herrlichkeit
Tut dem sich auf, der haßt was glaubhaft ist. Du hoffst auf Ewigkeit. Ich gönn den Glauben Dem, der sein Grab schon aufgeworfen sieht. Erbärmlichkeit! Mich schreckt der Tod nicht mehr. Das Leben warf ich ab, als ich mit Willen
Den Weg beschritt, der mich hieher geführt, Und mit dem Leben auch die Ewigkeit.
Denn ob sie ist, was tut das hier zur Sache? Geh, du verkennst mich, und du ärgerst mich! Dich schreckt, was jeden schreckt, und meine Macht
Wird auch den letzten Hochmutstraum dir töten, Daß du der Hoffnung nicht bedarfst! Das Schwert, Das deinen Hals durchschneidet, wird erzählen Daß du vor seinem Blick dich weggeduckt Und mit dem letzten Schrei zu Gott gerufen.
Ich habe nie geleugnet, nie geglaubt, Drang war mein Leben, Zwang des guten Sinns. Wie er mich heißt, werd ich im Tode sein. Geh, geh! ich hasse dich! Du leugnest mich Und deiner eignen Seele Nickelwert.
Raub mir nicht länger meine Feierzeit! Du, der mich tötet, bist nun tot für mich, Doch meines Lebens Flamme schlägt zum Himmel. (wendet sich ab)
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:55 von 2rhyme
Autor: Paul Haller
Quelle: de.wikisource.org
Weitere Informationen unter: http://de.wikisource.org
|