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Trunkenes Lied (Andere Gedichte)

Trunkenes Lied von Theobald Tiger

Der Igel sprach zum Oberkellner:
„Bedienen Sie mich ein bißchen schnellner!
Suppe – Gemüse – Rostbeaf – und Wein!
Ich muß in den Deutschen Reichs-Igel-Verein!“

Da sprach der Oberkellner zum Igel:

„Ich hab so ein komisches Gefiegel –
ich bediene sonst gerne, prompt und coulant,
aber ich muß in den Oberkellner-Verband!“

Der Igel saß stumm, ohne zu acheln,

und sträubte träumerisch seine Stacheln –

Messer und Gabel rollten über die Decke.
Sie rollten zum Reichsverband Deutscher Bestecke.

Des wunderte der Igel sich.
Er ging in „Für Herren“ züchtiglich;

doch der Alte, der dort reine macht,

war auf der Deutschen Klosettmänner-Nacht.

Ein Rauschen ging durch des Igels Stoppeln –
er tät bedrippt nach Hause hoppeln
          und sprach unterwegs

          (und aß einen Keks):

„Ich wohne gern. Aber seit ich in Deutschland wohne,
ist mein igeliges Leben gar nicht ohne.
Sie sind stolz, weil sie sich in Gruppen mühn –
doch sie sind nur gestörte Individühn,

Menschen? Mitglieder sind diese Leute.

Unsern täglichen Verband gib uns heute!
                    Amen.“
                                   (sagte der Igel).



Eingetragen am 08.11.2011 09:35:10 von 2rhyme
Autor: Kurt Tucholsky
Quelle: de.wikisource.org
Weitere Informationen unter: http://de.wikisource.org



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