Die Gelegenheit (Gries) (Andere Gedichte)
Die Gelegenheit.
Nach dem Ital. des Nic. Macchiavelli. Wer bist du, deren Stirn des Himmels Siegel Mit mehr als Erdenreiz und Anmuth ziert? Du ruhest nie? Wozu am Fuß die Flügel? „Gelegenheit werd’ ich genannt, verspürt
Von Wenigen; und dieses stete Wanken Kommt von dem Rade, das mein Fuß berührt. Mein Flug ist schnell, wie Schweben der Gedanken, Und meiner Füße doppelt Flügelpaar Verwirrt den Blick durch nimmer ruhend Schwanken.
Nur auf der Stirne wächst mein Lockenhaar, Und dient mir, Brust und Antlitz zu verdecken, Daß Keiner meines Kommens nehme wahr. Kahl ist mein Hinterhaupt; daher mit Schrecken, Was mich entschlüpfen ließ, kein Mittel sieht,
Mich je zu unterwerfen seinen Zwecken.“ ?Wer ist denn jene, die dort mit dir zieht? „Das ist die Reu; sie läßt sich mit mir sehen, Und bleibt zurück, wenn schnell mein Fuß entflieht. Und du, der seine Zeit mit eitelm Spähen
Verbringt und quälet ohne Frucht den Sinn, Du merkst es nicht und kannst es nicht verstehen, Daß längst ich deiner Hand entschlüpfet bin.“ GRIES.
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:31 von 2rhyme
Autor: Johann Diederich Gries
Quelle: de.wikisource.org
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