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Zu Gott (Andere Gedichte)

 Zu Gott.

 Nach Paul Verlaine.

 I.

Mein Gott hat mir gesagt:     „Sohn, man muß Mein sein! Mein!
Sieh meine durchbohrte Brust,      mein strahlend, blutend Herz
und meine wunden Füße,      die Magdalenens Schmerz
mit Thränen wusch; und siehst,      siehst die große Pein

meiner Arm-und-Hände      durch deine Sündenschuld,

siehst das Kreuz, die Nägel,      und siehst und fühlst und glühst,
daß diese bittre Welt      des Fleisches Nichts versüßt,
als Mein Fleisch und mein Blut,      mein Wort und meine Huld.

War ich nicht dein, mein Sohn,      dein bis in den Tod?

mein Bruder du im Vater,      mein Kind, mein Sohn im Geist!

Und hab ich nicht geduldet,      wie die Schrift verheißt?
Hab ich nicht geschluchzt      für deine Angst und Not?
Und war mein blut’ger Schweiß nicht      der Schweiß deiner Nächte,
mein Freund, mein armer Freund du,      der gern zu mir möchte!“

 II.

Und ich –: Herr! du sagtest      meine ganze Seele.

Ja! ich will zu dir, Herr,      suche und finde nicht.
Du, dessen Liebe lodert      wie aller Sonnen Licht:
ich Dein sein, Dein? ich Wurm      im Staub und voller Fehle!
Du Friedensborn, den alle      Kreatur erlechzet,

ach, Einen Blick nur träufle      in meinen Gram und Wahn!

Darf ich denn wagen, Herr,      nur deiner Spur zu nahn,
ich, der auf eklen Knieen      hier vor dir kriecht und ächzet?

Und dennoch such’ich dich,      taste, tappe nach dir,
daß auf mein Elend falle      nur deines Schattens Zier,

doch Du bist ohne Schatten,      Du, dessen Liebe lodert,

du süßer Springquell, bitter      nur dem, deß Herz noch modert
im Rausche seiner Schmach,      du Licht, ganz Licht, deß Glut
und schwerer Kuß den trüben      Menschenaugen wehe thut!

 III.

„Man muß, muß mein sein! Ja:      ich bin, bin der Kuß

der Welten, bin der Odem,      bin dieser Mund, du lieber

Kranker, von dem du stammelst,      der glühende; und dies Fieber,
das deine Nächte schüttelt,      bin Alles Ich! man muß
nur wagen, mein zu sein!      Ja: meine Liebe, die
zu Höhen lodert, wo      dein armes Ziegenseelchen

nicht hinklimmt, wird dich, wie      der Adler ein Rotkelchen,

empor zu Himmeln tragen,      oh, Himmeln, die – oh sieh,

sieh meine helle Nacht,      du weinend Auge du
im Scheine Meines Mondes!      sieh dieses Bett von Reinheit,
all diese Unschuld sieh,      all diese Ruh!

Sei mein! die zwei Worte      sind meine höchste Einheit,

denn dein allmächtiger Gott      vermag zu wollen – nein
nur erst vermögen will ich dich:      sei, sei Mein!“

 IV.

– Herr, Herr, zuviel! ich wag’s nicht.      Ich Dein? Wer? ich, und Dein?
Nein nein, nur zagen darf ich,      doch wagen – nein! ich bebe!

ich will’s nicht, ich bin unwert!      Ich Dein? du, Kelch und Rebe,

du aller Heiligen Herz,      du liebreich Brot und Wein,
du, aller Gnadenwinde      ungeheure Rose,
du Eifrer Israels,      du lichter Falter, dem
nur die junge Blume      der Unschuld angenehm:

und ich soll Dein zu sein      vermögen? ich lichtlose


Schlacke, ich Frevler, Dein?      Herr, bist du rasend?! Ich
Befleckter, dem die Sünde      Beruf ist, der – o Fluch –
in allen seinen Sinnen,      Gefühl, Geschmack, Geruch,
Gehör, Gesicht, ja selbst      in seinem Rausch nicht Dich,

in seiner Reue selbst      nur das Entzücken fühlt,

mit dem der alte Adam      nach neuen Lüsten in ihm wühlt!

 V.

„Drum muß man mein sein! Ich      bin’s der in dir rast,
bin der neue Adam,      der den alten frißt,
dein Hunger und dein Mannah;      und meine Liebe ist

so strömender, je näher      du der Quelle nahst.

Ein strömend Feuer ist sie,      drin all dein brünstig Blut
auf immer sich verzehrt      und wie ein Duft verdampft,
und ist die Sündflut, deren      schwangere Wut zerstampft
jedweden schlimmen Keim      und all die trübe Brut,

die Ich gesät, daß einst      mein Kreuz so heller strahle

und daß auch du dereinst      durch ein furchtbar Mirakel
der Gnade Mein sein müßtest,      entsühnt all deiner Makel –
sei mein! empor! sei Mein!      Empor mit Einem Male
aus deiner Nacht zu Mir,      Mir, du verlaßner armer

Staub, dem Nichts blieb als Ich,      dein ewiger Erbarmer!“


 VI.
 
– Herr! Herr! ich fürchte mich.      Mein Herz zittert und zagt.
Ich seh, ich fühl’s: man muß,      muß Dein sein. Aber wie,
wie, Gott mein Gott, dein werden?      du Richter, dessen Knie
selbst der Gerechte kaum      anzurühren wagt.

Ja, wie? Denn sieh, es wankt      der Grund, darinnen hier

mein Herz sein Grab sich grub,      und über mich wie Glut
fühl ich herniederstürzen      des Firmamentes Flut
und rufe: Herr! wo führt      ein Weg von Dir zu mir?!

Reich mir die Hand, mein Leben,      daß dieses Fleisches Weh

und dieser kranke Geist      nur fühle deine Spur!

Denn jemals zu empfangen      und zu genießen je
die himmlische Umarmung:      Herr, ist das möglich nur
dein zu sein dereinst,      selig in deinem Schooß,
an deinem Herzen, Herr, zu ruhn:      selig, sündelos?!

 VII.

„So möglich, wie gewiß.      O komm, o siehe, welch

Entzücken deiner harrt!      Laß ab von deinem Harme
und deinem Trotz! komm, sinke      in meine offnen Arme,
gleichwie der Glühwurm in den      erblühten Lilienkelch.
Komm und verdien es dir!      Komm an mein Ohr, schütt aus

all deine Niedrigkeit      mit deinem höchsten Mute;

sag Alles, Sohn – frei, schlicht      und ohne Stolz im Blute;
reich mir der Reue blassen,      schmachtenden Blumenstrauß!

Dann tritt an meinen Tisch,      einfältiglich; da soll
ein köstlich Mahl, dem selbst      die Engel andachtvoll

nur zusehn dürfen, dich      erquicken und entsühnen,

da sollst den Wein du trinken,      den Wein des immergrünen
Weinstocks, dessen Güte      und Kraft und Süßigkeit
dein Blut befruchten werden      für die Unsterblichkeit.

„Dann geh und glaube fromm,      demütig an das Urwort

der Liebe, allwodurch ich      dein Leib-und-Seel ich bin;

und kehre ja, mein Sohn,      sehr oft von Neuem in
mein Haus ein, meinen Wein dort      zu kosten und den Schwur dort
zu leisten auf mein Brot,      ohn welches all dein Streben
nur ein Verrat von mir;      und bitte mich, wie Brauch,

mich, Vater Sohn und Geist,      und meine Mutter auch,

daß du das Lämmlein werdest,      das stumm versprützt sein Leben,

daß du das Kindlein werdest,      bekleidet mit dem Linnen
der Unschuld, und dein eigen      armselig Sein und Sinnen
vergessest, um einst Mir      ein wenig gleich zu werden,

Mir, der zu Zeiten des      Pilatus und Herodes,

des Petrus und des Judas      auch dir gleich ward auf Erden,
für dich am Kreuz zu sterben      eines verruchten Todes.

„Und um zu lohnen deinen      Eifer in diesen Pflichten,
die also süß, daß ihre      Wonnen unsäglich sind,

will ich dich schmecken lassen      schon auf Erden, Kind,

den Vorschmack Meines Friedens:      meine dunkellichten
geheimen Nächte, wo      der Geist sich meinen Söhnen
aufthut und vom ew’gen      Kelch der Verheißung trinkt,
wo hoch vom heil’gen Himmel      der fromme Vollmond winkt,

und aus der rosigen Finsternis      die Engelchöre tönen,


verkündend die Entrückung      empor zu Meinen Lichte,
die ew’gen Küsse meiner      Langmut und Erbarmung,
die Psalmen meines Ruhms      und ewigen Traumgesichte,
die ewige Weisheit und      die ewige Umarmung

im Taumel deiner süßen      Schmerzen, die auch mein:

die strahlende Verzückung,      Mein zu sein!“

 VIII.

– Ach! Herr! wie wird mir! siehe,      weinend vor Deine Füße
stürz’ich, schluchzend und jauchzend;      deine Stimme macht
mir wohl und weh! mein Auge      weint, meine Seele lacht!

und all das Weh, das Wohl      hat all die selbe Süße!

Aus Thränen jubl’ich, Herr;      aus meinem Rausche wecken
mich Hörnerrufe, Waffen      winken auf klirrender Au,
funkelnde Schilde, und drüber      Engel in Weiß und Blau,
und dieser Hörnerruf      füllt mich mit Wut und Schrecken!

Den Taumel fühl’ich, fühle      das Graun der Auserwählten!

Ja, ich bin unwert, aber:      Herr, Deine Gnad ist groß!
Sieh: voll Gebet, voll Demut:      hier, sieh mich Schweißgequälten,
siehe mich Glutbeglückten –      obgleich ein namenlos
Erschauern, Herr, den Trost mir      Deines Mundes schwächt,

und zitternd geht mein Atem – –


 IX.

 „So, armes Herz, so recht!“
 



Eingetragen am 08.11.2011 09:35:43 von 2rhyme
Autor: Richard Dehmel
Quelle: de.wikisource.org
Weitere Informationen unter: http://de.wikisource.org



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