Das Philisterparadies (Andere Gedichte)
Das Philisterparadies. Heil im Philisterparadies Giebt’s grade Wege mit gelbem Kies, Unkraut wird nicht darin gelitten, Die Hecken sind alle fein beschnitten,
Die Bäume gleichen an Wuchs Grenadieren, Damit man möge darunter spazieren Im Gefühle persönlicher Sicherheit Zu jeder anständigen Tageszeit. Am Eingang grüsst, statt Versgeschwafel,
Eine bildsaubere Warnungstafel, Worauf Verordnungen und Strafen Zu lesen in deutlichen Paragraphen: Du sollst deinen Mops an der Leine führen, Du sollst nicht etwa Lust verspüren,
Dich irgendwo ins Gras zu legen, Oder im Tanzschritt dich zu bewegen. Du sollst auch nur mit gestärktem Kragen Dich unter honette Leute wagen – Macht nichts, wenn der den Hals dir ritzt,
Wenn nur der Shlips hübsch grade sitzt. Verboten ist überhaupt und allen, Im Paradiese aufzufallen. Civil- und Weibspersonen zumal – Richten sich nach dem Modejournal,
Doch zeigt sich echte Gesinnung nur In Uniform und in Montur. Kinder, ferner, sind nur erlaubt, Soweit das legitime Familienhaupt Sich allseitig verbürgt für seine Sprossen.
(Natürliche Kinder sind ausgeschlossen.) Weiters, obliegt es dem Herrn Gendarm, Von Liebespaaren, die Arm in Arm Betroffen werden auf einsamen Wegen, Die Papiere (schriftlichen Elternsegen),
Sowie die Trauringe zu erfordern, Mangelndenfalls sie hinaus zu beordern. Die vorschriftsmässige Sittlichkeit Erheischt nach Einbruch der Dunkelheit Reinliche Trennung der Geschlechter
Durch den zuständigen Herrn Nachtwächter Verschlossen ist streng das Paradies Für Malcontente und für Genies, Doch steht es offen für jedermann, Der seinen Stumpfsinn beweisen kann. Ernst von Wolzogen.
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:11 von 2rhyme
Autor: Ernst von Wolzogen
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