Jahr und Leben (Andere Gedichte)
Der Mensch legt unter Frühlingsfäden Die Hoffnung in der Erde Schooß, Er will mit Liebe sie bereden, Daß sie sie heg nnd pflege groß. Und hat das Kind dann aufgeschlagen Die tausend Augen zu der Welt, Da müssen die bebenden Lüfte es tragen, Die sind ihm zu ewigen Hütern bestellt. Und unter Wolkenthränen blühet, Was ihm der Freudenstrahl erweckt, Im grünen Herzen still erglühet, Und ans der Thrän' den Halm ausstreckt. Da denkt der Säer Frühlingslieder, Es hebt sich in der dunklen Brust, Im Aug sucht er sein Auge wieder, Und schlägt das Herz um seine Lust. Und in des Liebchens Himmelsauge Steigt auf die Welt, die in ihm lag, Ob sie sich neig, ob sie ihm tauge, Ob in dem Aug' sein Glück nicht brach! So fragt er nachts die hohen Sterne, Die ernst gewiegt ihm sein Geschick, Daß es sich senk ans ew'ger Ferne Und in ihm ruh zu ew'gem Glück. Da steigt die Thräne aus dem Herzen Zu ihrem Auge vor ihm aus, Da blühet aus der Sehnsucht Schmerzen Die Welt, das Glück, die Lieb ihm aus. Denn in dem Spiegel einer Zähre, Da liegt der Himmel, liegt die Welt, Ob sie entweich, sich ihm gewähre, Ist zweifelhaft ihm noch gestellt! O trink sie von der Wimper Saume, Du Zecher so lang' sie dir noch glüht, Und dein ist Glück und Welt im Traume, Der tief das Herze dir durchzieht. II. Feuer. Sommers Kraft. Die Sonn’ hebt von der Erd’ die dunklen Schleier Und strahlet durch der hohen Halme Spitzen, Die Schatten spielen aus dem stillen Weiher Mit Funken die mit Beben drüber blitzen, Die Erde athmet tief aus allem Grün, Und sieht hinauf des Lebens Mittag ziehn. Der Mensch hat alle Bluthen nun gefühlet, Die Frucht hängt nahe über seinem Herzen, Da ist es innerlich so recht gekühlet Weil im Besitz versanken Sehnsuchts-Schmerzen, Die Blüth’ zur Erde um die Frucht zerfiel, Die Lieb versank im Leben, ihrem Ziel. Doch daß der Geist nicht ganz zur Erde blicke Rauscht mit den Flügeln um ihn her der Himmel, Wie er die Frucht und Menschen hielt im Glücke Wiegt ihre Kraft er nun im Sturmgetümmel, Die Blitze schwimmen durch die Wolken-Fluth, In ihrem Augenblick das Glücke ruht. Im Sturm fahrt streng der Donner durch die Lüfte, Zielt mit des Hagels scharf Geschoß die Aehren, Des Menschen Zukunft steht auf dunkle Grüfte, Daß sie nicht sink’, muß seine Kraft ihr wehren, Verlohren ist ihm schon des Lieben vlel, Da hebt am Himmel sich vor ihn das Ziel Da spannt der Vater drüben seinen Bogen, Der siebenfarbig alten Glückes Zeichen, Der Liebe Pfeil ist von der Sonn’ geflogen Und trifft das Herz, da must der Schmerz entweichen, Das ird’sche Glück sank in des Unglücks Schooß Im Abendroth blüht ihm des Himmels Ros’, III. Wasser. Herbstes Sterben. Im engen Kreislauf ist zur Wage Abwärts wendend die Sonn’ getreten, Schwer ist der Herbst zur Erd’ gesunken Hat in der Wag’ den Sommer aufgezogen. Der Sonne Gluth Verläßt das Blut, Stumm wird irdische Klage! Weil drüben die Wolken sich röthen, Umspielt von des Abendlichts Funken! Hinein in die stillen Wogen, In des Himmels tiefes Meer! Erdenketten so schwer, Erdenleben so leer, Drüben Die Lieben! Müder Schlagen die Lider Die matten Augen Nieder. Der Mensch hat alle Frucht zu Haus getragen, Die er durch’s Leben sich gewann für’s Sterben. Im Innern hat das Haus er voll getragen, Die Erde hat ihn eingesetzt zum Erben, Doch mit dem Leben ist er ihr verfallen Sie zieht es nieder in die stillen Hallen. Er tritt hervor in tiefer nächt’ger Stille, Der Mond liegt wiegend sich auf ferner Höhe Und schaut ihn an durch nackter Zweige Hülle, Als ob nochmal die Jugend ihn ansehe. Erinnrung webt aus Mondenstrahlen Blüthen Die einst ihn in der Jugendsonn’ durchglühten. „Wie, Mond, nur hast das Licht, nicht Gluth der Sonne? Wie, Herbst, nur hast die Farb’, nicht Gluth der Blüthe? So liegt das Abbild nur von jener Wonne. In meiner Seele, die mich einst durchglühte. Du Lieb’ die du mich knüpftest einst ans Leben Das Leben must du nun dem Himmel geben.“ Er wendet sich , das Haus liegt vor ibm trübe. „Wie wird es klein, wenn es zum Sarg sich enget! Doch schloß es ein des ganzen Lebens Liebe, Lust, Freude, Leid, zusammen still gedränget! Das steigt empor! im Sarge bleibt die Hülle - Da droben Licht! hier unten Schatten - Stille“. IV. Erde. Winters Himmel. Ueber den stillen See Schwimmen verwehete Blätter umher, Leicht schwingt das Wellchen der Welle sie zu Um Schilfs Halm finden sie endliche Ru. Wie senkt’s die erblaßten Spitzen so schwer Und taucht in die Wogen sein letztes Weh! Und immer mehr Blätter im Zirkelchen nieder Sie fallen, flüsternd die Todtenlieder; Da senken die Sterne die Nacht hernieder Und tauchen aus Wolken die Strahlen-Glieder; Sie begraben die letzten blaßen Funken Die in den unruhigen Wellen versunken, Wo matt das letzte Leben sich regt, Bis im Eise todt es sich niederlegt. Im Hause liegt die ganze Frucht des Lebens, Von deren Halmen ’s Haus mit Treu gedecket. Die Halme die die ird’sche Frucht des Lebens Getragen, sind dem Himmel zugestrecket, Aus jedem Halm ein Sternlein aufgegangen, Des Hauses Dach vom Sternenkranz umfangen. Im Hause einsam steht der Sarg, Die Lichter sind schon angezündet, Das Licht das an die Erd ihn bindet, Es ist verlöscht, weil sie zu karg. Der Schnee liegt über alles Feld, Deckt was sein Leben ausgesäet. - Im beißen Strahl es bald aufgehet Wenn Frühling neu ausschlägt die Welt. Das, was im Innern er gepflanzt, Im blauen Feld ist’s aufgegangen, Wo drüben all wir hingelangen Wo wir vom Wolkenlicht lumtanzt. So hat sich denn das Leben ganz geschlossen, Der Anfang hat das Ende vorgedeutet, Die Frucht, die in der Erde war verschlossen Wuchs in das Licht, daß sie zum Himmel leitet. Das Grünen, Blühen, Reifen, Sinken Wieg, Lieb und Leben, Sarges still Versinken!
tn.
Eingetragen am 08.11.2011 09:34:09 von 2rhyme
Autor: Wünschelruthe
Quelle: de.wikisource.org
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