Des Knaben Meerfahrt (Andere Gedichte)
Des Knaben Meerfahrt. 1. Was fügst du, lieber Knab, zusamm’n Manch Lindenblättchen grün? „Will mir ein Schifflein bauen, Und über die Wellen ziehn.“
Was webst du, holder Knab, zusamm’n Manch Rosenblättchen roth? „Ein Seglein soll mir schwellen In die Lieb oder in den Tod.“ Der Knabe ging zu Schiffe,
Und über das Meer hinzieht, Die Wellen spielen so munter, Die Sonne so freudig glüht. „O schwanke, lieb Schifflein, schwanke, Auf den Fluthen rein und hell,
Wie der wechselnde Liebesgedanke Auf heiterem Lebensquell. O schwanke, lieb Schifflein, schwanke, Nichts hält auf dem Meere dich fest. Die Hoffnung auf grünendem Blätterkahn
Mich nimmer und nimmer verläßt.“
2. Es blicken zwei Augen aus grünem Nach’n Gar frisch ins Weite hinein. Und wenn du ein Meer durchmessen, Wie wirst du so selig seyn!
Der Knab erschauet ein Ufer, Da sieht er eine Rose so roth; Ist nicht eine rothe Rose, Ist ein Mädchen mit Wänglein so roth. Da treibt er sein Schifflein näher,
Da sieht er ein Veilchen so blau; Ist nicht ein blaues Veilchen, Ist ein Mädchen mit Aeuglein so blau. Und treibet das Schifflein näher, Da sieht er eine Lilie so weiß;
Ist nicht eine weiße Lilie, Ist ein Mädchen mit Händlein so weiß. Sie streckt ihm entgegen die Händelein, Sie hält einen Anker ihm hin. Er will am Anker sich halten fest,
Da wirds ihm so schwer zu Sinn. Ins Herz muß der Anker ihn fassen, Will er nicht von ihr gehn. „Und muß ich dich denn verlassen, Und nimmer dich wiedersehn?“
„Und willst du mich denn verlassen, Und nimmer mich wiedersehn? - Und wenn du den Anker im Herzen hast, So will ich dich pflegen so schön. „Und wenn du den Anker im Herzen hast,
Und brennt er im Herzen so heiß, So will ich dich streicheln ohn' Unterlaß Mit meinen Händlein so weiß.“ Der Knabe läßt den Anker, Und lässet die weiße Hand,
Und jaget das Schifflein über das Meer Vorbei am grünenden Land.
3. Was hör’ ich die Wälder rauschen, Und rauschen die Wogen laut? Was seufzet so trauriges Knaben Stimm’
In wüthende Windesbraut? Die Winde haben ein Schifflein getrag’n In Felsen und Klippen graus, Da branden die Fluthen so grimmig, Da tobet des Sturmes Gebraus.
Die Lindenblättchen grüne, Sie trinken den Wellentod, Zerstreuet treiben im Winde Die Rosenblättchen roth. Der Knab ist untergesunken
Wohl auf des Meeres Grund, Da hat ihn der Anker gefunden, Der faßt ihm das Herze so wund. Der faßt ihm das brennende Herze Und spielet in blutiger Lust,
Und gegen den kalten Boden liegt Des Knaben beiße Brust. Das Mägdlein wandelt am Ufer, Das Auge von Thränen seucht „Ach hab ich den Anker verloren
Und hat ihn der Anker erreicht? Und liegt er am kalten Meeresgrund Mit seiner Brust so heiß? Und darf ihm nicht streicheln das wunde Herz Mit meinen Händlein so weiß?“
Da weinen die blauen Aeugelein Um des Knaben herben Tod, Da rinnen die klaren Thränelein Wohl über die Wangen roth. Sie rinnen in Meereswelle,
Und rinnen auf Meeresgrund, Und suchen den lieben Knaben Mit seiner Brust so wund. Sie sprechen von süßer Liebe So freundlich in sein Herz,
Von Wänglein roth und Aeuglein blau, Und lindern ihm den Schmerz.
Hans auf der Wallfahrt.
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:26 von 2rhyme
Autor: Wünschelruthe
Quelle: de.wikisource.org
Weitere Informationen unter: http://de.wikisource.org
|