Das Schicksal (Hölderlin) (Andere Gedichte)
Als von des Friedens heil’gen Thalen, Wo sich die Liebe Kränze wand, Hinüber zu den Göttermahlen Des goldnen Alters Zauber schwand,
Als nun des Schicksals eh’rne Rechte, Die große Meisterin, die Noth, Dem übermächtigen Geschlechte Den langen, bittern Kampf gebot: Da sprang er aus der Mutter Wiege,
Da fand er sie, die schöne Spur. Zu seiner Tugend schwerem Siege, Der Sohn der heiligen Natur; Der hohen Geister höchste Gabe, Der Tugend Löwenkraft begann
Im Siege, den ein Götterknabe Den Ungeheuern abgewann. Es kann die Lust der goldnen Ernte Im Sonnenbrande nur gedeih’n; Und nur in seinem Blute lernte
Der Kämpfer, frei und stolz zu seyn; Triumph! Die Paradiese schwanden, Wie Flammen aus der Wolke Schoos, Wie Sonnen aus dem Chaos, wanden Aus Stürmen sich Heroen loß.
Der Noth ist jede Lust entsprossen, Und unter Schmerzen nur gedeiht Das Liebste, was mein Herz genossen, Der holde Reiz der Menschlichkeit; So stieg in tiefer Fluth erzogen,
Wohin kein sterblich Auge sah, Stillächelnd aus den schwarzen Wogen In stolzer Blüte Cypria. Durch Noth vereiniget, beschwuren Vom Jugendtraume süß berauscht,
Den Todesbund die Dioskuren, Und Schwerd und Lanze ward getauscht; In ihres Herzens Jubel eilten Sie, wie ein Adlerpaar, zum Streit, Wie Löwen ihre Beute, theilten
Die Liebenden Unsterblichkeit. — Die Klagen lehrt die Noth verachten, Beschämt und ruhmlos läßt sie nicht Die Kraft der Jünglinge verschmachten, Giebt Muth der Brust, dem Geiste Licht;
Der Greise Faust verjüngt sie wieder; Sie kommt, wie Gottes Blitz, heran, Und trümmert Felsenberge nieder, Und wallt auf Riesen ihre Bahn. Mit ihrem heil’gen Wetterschlage,
Mit Unerbittlichkeit vollbringt Die Noth an Einem großen Tage, Was kaum Jahrhunderten gelingt; Und wenn in ihren Ungewittern Selbst ein Elysium vergeht,
Und Welten ihrem Donner zittern — Was groß und göttlich ist, besteht. —
O du, Gespielin der Kolossen, O weise, zürnende Natur, Was je ein Riesenherz beschlossen,
Es keimt’ in deiner Schule nur; Wohl ist Arkadien entflohen. Des Lebens bessre Frucht gedeiht Durch sie, die Mutter der Heroen, Die eherne Nothwendigkeit. —
Für meines Lebens goldnen Morgen Sei Dank, o Pepromene, dir! Ein Saitenspiel und süße Sorgen Und Träum’ und Thränen gabst du mir; Die Flammen und die Stürme schonten
Mein jugendlich Elysium, Und Ruh’ und stille Liebe thronten In meines Herzens Heiligthum. Es reife von des Mittags Flamme, Es reife nun vom Kampf und Schmerz
Die Blüth’ am gränzenlosen Stamme, Wie Sprosse Gottes, dieses Herz! Beflügelt von dem Sturm, erschwinge Mein Geist des Lebens höchste Lust, Der Tugend Siegeslust verjünge
Bei kargem Glücke mir die Brust! Im heiligsten der Stürme falle Zusammen meine Kerkerwand, Und herrlicher und freyer walle, Mein Geist in’s unbekannte Land!
Hier blutet oft der Adler Schwinge; Auch drüben warte Kampf und Schmerz! Bis an der Sonnen lezte ringe, Genährt vom Siege, dieses Herz. Hölderlin.
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:11 von 2rhyme
Autor: Friedrich Hölderlin
Quelle: de.wikisource.org
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