Die Wahl-Esel (Andere Gedichte)
Die Freiheit hat man satt am End’, Und die Republik der Thiere Begehrte, daß ein einz’ger Regent Sie absolut regiere.
Jedwede Thiergattung versammelte sich, Wahlzettel wurden geschrieben; Parteisucht wüthete fürchterlich, Intriguen wurden getrieben. Das Comité der Esel ward
Von Alt-Langohren regieret; Sie hatten die Köpfe mit einer Kokard, Die schwarz-roth-gold, verzieret. Es gab eine kleine Pferdepartei, Doch wagte sie nicht zu stimmen;
Sie hatte Angst vor dem Geschrei Der Alt-Langohren, der grimmen. Als einer jedoch die Candidatur Des Rosses empfahl, mit Zeter Ein Alt-Langohr in die Rede ihm fuhr,
Und schrie: Du bist ein Verräther!
Du bist ein Verräther, es fließt in dir Kein Tropfen vom Eselsblute; Du bist kein Esel, ich glaube schier, Dich warf eine welsche Stute.
Du stammst vom Zebra vielleicht, die Haut Sie ist gestreift zebräisch; Auch deiner Stimme näselnder Laut Klingt ziemlich ägyptisch-hebräisch. Und wärst du kein Fremdling, so bist du doch nur
Verstandesesel, ein kalter; Du kennst nicht die Tiefen der Eselsnatur, Dir klingt nicht ihr mystischer Psalter. Ich aber versenkte die Seele ganz In jenes süße Gedössel;
Ich bin ein Esel, in meinem Schwanz Ist jedes Haar ein Esel. Ich bin kein Römling, ich bin kein Slav’; Ein deutscher Esel bin ich, Gleich meinen Vätern. Sie waren so brav,
So pflanzenwüchsig, so sinnig. Sie spielten nicht mit Galanterei Frivole Lasterspiele; Sie trabten täglich, frisch-fromm-fröhlich-frei, Mit ihren Säcken zur Mühle.
Die Väter sind nicht todt! Im Grab Nur ihre Häute liegen, Die sterblichen Hüllen. Vom Himmel herab Schau’n[WS 1] sie auf uns mit Vergnügen.
Verklärte Esel im Gloria-Licht!
Wir wollen Euch immer gleichen Und niemals von dem Pfad der Pflicht Nur einen Fingerbreit weichen. O welche Wonne, ein Esel zu sein! Ein Enkel von solchen Langohren!
Ich möcht’ es von allen Dächern schrei’n: Ich bin als ein Esel geboren. Der große Esel, der mich erzeugt, Er war von deutschem Stamme; Mit deutscher Eselsmilch gesäugt
Hat mich die Mutter, die Mamme. Ich bin ein Esel, und will getreu, Wie meine Väter, die Alten, An der alten, lieben Eselei, Am Eselthume halten.
Und weil ich ein Esel, so rath’ ich Euch, Den Esel zum König zu wählen; Wir stiften das große Eselreich, Wo nur die Esel befehlen. Wir alle sind Esel! I-A! I-A!
Wir sind keine Pferdeknechte. Fort mit den Rossen! Es lebe, Hurrah! Der König vom Eselsgeschlechte! So sprach der Patriot. Im Saal Die Esel Beifall rufen.
Sie waren alle national, Und stampften mit den Hufen.
Sie haben des Redners Haupt geschmückt Mit einem Eichenkranze. Er dankte stumm, und hochbeglückt
Wedelt’ er mit dem Schwanze. - ? Vorlage: Schau’u
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:43 von 2rhyme
Autor: Heinrich Heine
Quelle: de.wikisource.org
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