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Himmelfahrt (Andere Gedichte)

     Der Leib lag auf der Todtenbahr,
Jedoch die arme Seele war,
Entrissen irdischem Getümmel,
Schon auf dem Wege nach dem Himmel.

     Dort klopft’ sie an die hohe Pforte,

Und seufzte tief und sprach die Worte:
Sanct Peter, komm’ und schließe auf!
Ich bin so müde vom Lebenslauf –
Ausruhen möcht’ ich auf seidnen Pfühlen

Im Himmelreich, ich möchte spielen

Mit lieben Englein Blindekuh
Und endlich genießen Glück und Ruh!

[166]

     Man hört Pantoffelgeschlappe jetzund,
Auch klirrt es wie ein Schlüsselbund,

Und aus einem Gitterfenster am Thor

Sanct Peters Antlitz schaut hervor.

     Er spricht: „Es kommen die Vagabunde,
Zigeuner, Polacken und Lumpenhunde,
Die Tagediebe, die Hottentotten –

Sie kommen einzeln und in Rotten,

Und wollen in den Himmel hinein
Und Engel werden und selig sein.
Holla! Holla! Für Galgengesichter
Von eurer Art, für solches Gelichter

Sind nicht erbaut die himmlischen Hallen –

Ihr seid dem leidigen Satan verfallen.
Fort, fort von hier! und trollt euch schnelle
Zum schwarzen Pfuhle der ewigen Hölle“ –

     So brummt der Alte, doch kann er nicht

Im Polterton verharren, er spricht

Gutmüthig am Ende die tröstenden Worte:
„Du arme Seele, zu jener Sorte
Halunken scheinst du nicht zu gehören –
Nu! Nu! Ich will deinen Wunsch gewähren,

Weil heute mein Geburtstag just

Und mich erweicht barmherzige Lust –
Nenn’ mir daher die Stadt und das Reich,
Woher du bist; sag’ mir zugleich,

[167]

Ob du vermählt warst? – Eh’liches Dulden

Sühnt oft des Menschen ärgste Schulden;

Ein Eh’mann braucht nicht in der Hölle zu schmoren,
Ihn läßt man nicht warten vor Himmelsthoren.“

     Die Seele antwortet: Ich bin aus Preußen,
Die Vaterstadt ist Berlin geheißen.

Dort rieselt die Spree, und in ihr Bette

Pflegen zu wässern die jungen Kadette;
Sie fließt gemüthlich über, wenn’s regnet –
Berlin ist auch eine schöne Gegend!
Dort bin ich Privatdocent gewesen,

Und hab’ über Philosophie gelesen –

Mit einem Stiftsfräulein war ich vermählt,
Doch hat sie oft entsetzlich krakehlt,
Besonders wenn im Haus kein Brodt –
Drauf bin ich gestorben und bin jetzt todt.

     Sanct Peter rief: „O weh! o weh!

Die Philosophie ist ein schlechtes Metièr.
Wahrhaftig, ich begreife nie,
Warum man treibt Philosophie.
Sie ist langweilig und bringt nichts ein,

Und gottlos ist sie obendrein;

Da lebt man nur in Hunger und Zweifel,
Und endlich wird man geholt vom Teufel.
Gejammert hat wohl deine Xantuppe
Oft über die magre Wassersuppe,

[168]
Woraus niemals ein Auge von Fett

Sie tröstend angelächelt hätt’ –
Nun sei getrost, du arme Seele!
Ich habe zwar die strengsten Befehle,
Jedweden, der sich je im Leben

Mit Philosophie hat abgegeben,

Zumalen mit der gottlos deutschen,
Ich soll ihn schimpflich von hinnen peitschen –
Doch mein Geburtstag, wie gesagt,
Ist eben heut, und fortgejagt

Sollst du nicht werden, ich schließe dir auf

Das Himmelsthor, und jetzo lauf’
Geschwind herein –

                              „Jetzt bist du geborgen!
Den ganzen Tag, vom frühen Morgen
Bis Abends spät, kannst du spazieren

Im Himmel herum, und träumend flaniren

Auf edelsteingepflasterten Gassen.
Doch wisse, hier darfst du dich nie befassen
Mit Philosophie; du würdest mich
Compromittiren fürchterlich –

Hörst du die Engel singen, so schneide

Ein schiefes Gesicht verklärter Freude, –
Hat aber gar ein Erzengel gesungen,
Sei gänzlich von Begeistrung durchdrungen,
Und sag ihm, daß die Malibran

Niemals besessen solchen Sopran –
[169]

Auch applaudire immer die Stimm’
Der Cherubim und der Seraphim,
Vergleiche sie mit Signor Rubini,
Mit Mario und Tamburini –

Gieb ihnen den Titel von Excellenzen

Und knickre nicht mit Reverenzen.
Die Sänger, im Himmel wie auf Erden,
Sie wollen alle geschmeichelt werden –
Der Weltcapellenmeister hier oben,

Er selbst sogar, hört gerne loben

Gleichfalls seine Werke, er hört es gern
Wenn man lobsinget Gott dem Herrn,
Und seinem Preis und Ruhm ein Psalm
Erklingt im dicksten Weihrauchqualm.

     „Vergiß mich nicht. Wenn dir die Pracht

Des Himmels einmal Langweile macht,
So komm zu mir; dann spielen wir Karten.
Ich kenne Spiele von allen Arten,
Vom Landsknecht bis zum König Pharo.

Wir trinken auch – Doch Apropos!

Begegnet dir von Ungefähr
Der liebe Gott, und fragt dich: woher
Du seiest? so sage nicht aus Berlin,
Sag’ lieber aus München oder aus Wien.“



Eingetragen am 08.11.2011 09:34:04 von 2rhyme
Autor: Heinrich Heine
Quelle: de.wikisource.org
Weitere Informationen unter: http://de.wikisource.org



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