Phaëthon (Andere Gedichte)
Phaethon. An des Heiligthums geweihter Schwelle Flehend zu des Allbelebers Thron Lag, umflossen von Aurorens Helle, Phaethon, Apollons edler Sohn.
Seine Seufzer drangen durch die Lüfte, Seine Thränen fielen auf den Stein, Und der frühen Opfer süße Düfte Wall’ten durch den Lorbeerhain. Schöner wand auf Hellas weiten Fluren
Von der Mutter Schooß ein Sohn sich nicht. Seiner Götterabkunft hohe Spuren Strahlten von des Jünglings Angesicht. Lockend flog entgegen ihm und schmachtend Jedes Mädchens sehnsuchtsvoller Blick;
Doch, der Liebe holdes Glück verachtend, Gab er keinen je zurück. Schon dem Knaben waren Knabenspiele, Jünglingslust dem Jünglinge verhaßt; Höher schimmern seiner Wünsche Ziele,
Und der Erde Schranken sind ihm Last. Eingedenk daß er vom Himmel stammet, Flieht zu ihm sein Auge sehnend hin, Und des Staubes niedre Lust entflammet Nimmer seinen hohen Sinn.
Jeden Morgen, kaum daß noch Aurore Sich von ihres Gatten Seite schlich, Rafft, gewecket von der frühsten Hore, Phaethon vom harten Lager sich. Schwach nur schimmert noch die Morgenröthe,
Heller seiner Opfer Flamme schon, Und des Jünglings brünstige Gebete Fliehn empor zu Phöbos Thron. „Du, dem oft schon meine Wünsche nahten, Den mein schwaches Auge nicht begreift, Der voll Huld des Landbebauers Saaten Und der Hesperiden Aepfel reift, Der in der Gebirge tiefen Schachten Labung kocht für die erstorbne Flur – Gütig Allen, die nach Hülfe schmachten
Zürnest du dem Sohne nur?“ „Wirst du nimmer dieses Flehn erhören, Das sich heiß aus meiner Seele ringt? Nimmer, nimmer mir den Wunsch gewähren, Der sich aufwärts aus der Seele schwingt?
Höher strebt’s in meiner Brust und höher, Und der Erde Freuden sind mir Spott. Bring’! o bringe mich dem Urquell näher, Allbeleber! Vater! Gott!“ „Ha! vergebens bieten Erdentöchter
Mir Cytherens oft ersehnten Kranz; Ihrer niedern Flammen ein Verächter Blick’ ich auf zu Phöbos reinem Glanz. Freundschaft selbst, die jeden Schmerz zu lindern Sonst vermag, mir ist sie nicht gewährt;
Freundschaft mit Prometheus schwachen Kindern Ist des Göttersohns nicht werth.“ „Einsam irr’ ich auf den Felsenhöhen, Einsam in dem mondbeglänzten Thal, In der Nacht des Haines, an der Seen
Lichtem Ufer, ohne Rast der Qual. Ach! vergebens such ich in den Armen Der Natur ein lang’ ersehntes Glück; Meine Klagen giebt mir ohn’ Erbarmen Echo höhnend nur zurück.“
„Winken nicht in zauberischem Lichte Dort an jenes Hügels grüner Wand Mir der Hesperiden goldne Früchte? Sie entschlüpfen der betrognen Hand. Durstend schmacht’ ich und mein Gaumen glühet,
Tantaln gleich, schon nahe dem Genuß; Ach! vor meinen dürren Lippen fliehet Spottend ein Eridanus.“ „Immer sehnend, strebend – ausgestoßen Aus den kalten Armen der Natur,
Flieht mein Geist dahin, wo er entsprossen, Sucht am Firmament der Heimath Spur. Ja, ich fühl’s, ein Gott hat mich gezeuget! Doch wer hat mich dem Olymp entwandt? Hat zur Erde nieder mich gebeuget?
Sie ist nicht mein Vaterland!“ „Wie ist diese Wirklichkeit so enge, Die von allen Seiten mich umgiebt, Die mit rauhen Armen das Gedränge Meiner schönen Träume oft zerstiebt!
Aber soll ich ewig denn nur träumen? Seh ich dieses Sehnen nie erfüllt, Nie den oft gestreuten Samen keimen, Nie die Blüthen unverhüllt?“ „O wozu, wozu dies heiße Streben,
Das mein ganzes Innerstes durchglüht? Soll ich ewig an der Erde kleben, Wo des Strebens Blume nimmer blüht? Nein! nicht länger will ich müßig gaffen Nach des Himmels unbekannten Höhn.
Ich will selber eine Welt mir schaffen, Sollt’ ich schaffend auch vergehn!“ „Strömt denn glühend nicht durch meine Adern Der Olympier unsterblich Blut? Oder muß ich mit dem Zeuger hadern
Um des innern Feuers wilde Glut? Laß mich endlich doch den Vater sehen! Ach! noch stets verbarg der Gott ihn mir. Steig’ herab von des Olympos Höhen, Oder zeuch mich auf zu dir!“
„Ha der Schande! Phaethon, entsprossen Aus Kronions göttlichem Geblüt, Lebt verbannt, bei sterblichen Genossen, Er, in dem Apollons Feuer glüht! Wie sie spotten! daß sie Zeus verderbe,
Dieses Staubes haßenswerthe Brut! „ „Bastard! wo dein väterliches Erbe? Was bezeugt dein Götterblut?“ “ „Send’, o Vater, sende denn ein Zeichen, Daß ich Helios Erzeugter sey!
Laß beschämt die feigen Frevler weichen, Laß verstummen ihre Spötterey! Stamm’ auch ich aus göttlichem Geschlechte? Bin auch ich wie du ein Göttersohn? O! wo sind denn meiner Ahnen Rechte,
Wo der Götterabkunft Lohn?“ „Einmal nur – o höre mein Begehren, Schämst du dich der Mutter Liebe nicht, Darf ich scheulos dich als Vater ehren, Und ist Sohnesliebe meine Pflicht –
Einmal nur laß mich der Sonnenpferde Muthiges Gespann durch jene Bahn Aufwärts lenken von der niedern Erde, Götterodem zu empfahn!“ „Nur wo flammend dort in ew’ger Klarheit,
Helios, dein göttlich Auge wacht, Wohnt, umstrahlt von Himmelsglanz, die Wahrheit, Steiget nie zu dieses Thales Nacht. Hier herrscht Trug und Schatten und Verwesung, Hier des schwarzen Todes dunkelnd Graun.
Sende du von oben mir Erlösung, Vater, laß mich Wahrheit schaun!“ So der Jüngling – und die feuchte Wange Senkt er still auf das gebogne Knie.
Schauerliche Stille herrschte lange, ?Leise Seufzer nur durchbrachen sie. Jetzt, erregt von unsichtbaren Mächten, Dringt ein feyerlicher Schall hervor. Dreimal donnert’s zu des Jünglings Rechten, Und so schallts zu seinem Ohr:
„Thörichter! was wagst du zu begehren? Was verlangt dein frevler Uebermuth? Konnte so der Hochmuth dich bethören, So dich blenden eitler Wünsche Glut? Gab dir nicht des Vaters weises Schweigen
Seiner Liebe vollste Sicherheit? Konnt’ es nicht des Flehns Gefahr dir zeigen, Die dich nun dem Orkus weiht?“ „Ja, dem Orkus! Nur durch’s Reich der Schatten Windet sich zu dem Olymp die Bahn. Kann sich Gottheit auch und Menschheit gatten? Kann der Staub auch Hebe’s Kuß empfahn? Selbst Herakles, des Nemäschen Leuen Hoher Sieger, er, Kronions Sohn, Mußte sich dem Flammentode weihen,
Eh’ ihm Gottheit ward zum Lohn. „Nimmer hätte deines Wahnsinns Grille Dir des Vaters weisrer Blick genährt; Doch des hohen Schicksals ew’ger Wille Wird von Göttern schweigend selbst verehrt.
Ja, zur Warnung hat es dich erkohren. Beugt nicht dies den Sinn dir niederwärts; Warnung allen, die ein Weib gebohren, Sey dann – und des Vaters Schmerz.“ „Eile dann – dies ist die einz’ge Lehre,
Die des Schicksals Strenge dir vergönnt – Ehe Morgen von dem dunkeln Meere Sich das Land von Licht und Schatten trennt; Deiner harrt, wenn Eos Rosenfinger Aufgethan des Himmels goldnes Thor,
Mein Gespann; dann sey der That Vollbringer, Fliege zum Olymp empor!“ Jetzo schwieg’s. Frohlockend der Erhörung Seines Flehns, springt Phaethon empor. Nicht des Gottes Dräun, nur die Gewährung
Seiner heißen Sehnsucht schwebt ihm vor. Froh verläßt er nun die heil’gen Hallen, Die voll bangen Kummers er betrat, Und des Dankes süße Opfer wallen Zu der Götter hohem Rath.
Und schon senkt mit thauigem Gefieder Von den Felsenhöhen sich die Nacht Duftend auf das milde Thal hernieder; Alles schlummert, nur der Jüngling wacht, Vor dem Aug’ des kühnen Heliaden Fliehet schüchtern die vertriebne Ruh; Und kaum sieht im Meer er Lunen baden, Eilt er flugs dem Strande zu. Schon von ferne schimmert ihm entgegen Phöbos Wagen, Phöbos Viergespann,
Muthig sieht er sich die Rosse regen, Und schon fliegt im Geist’ er Himmel an. Ungeduldig heben sie die Flügel, Tellus zittert unter ihrem Huf. Kühn ergreift jetzt Phaethon die Zügel,
Und sie folgen seinem Ruf. Majestätisch, wie auf Meereswogen Schwebt einher der königliche Schwan, Hebet sich zum hohen Himmelsbogen Jetzt der Wagen durch die steile Bahn,
Langsam hebt der Zug sich, Phöbos Lenkung So wie gestern wartend; doch er spührt Leichtlich an der Zügel niedrer Senkung, Daß kein Gott die Zügel führt. Aber Phaethon, jetzt nah dem Ziele,
Schwimmt in einem Wonnemeer von Lust; Ihn durchschauern himmlische Gefühle, Reinern Aether trinkt die volle Brust. Nun entkerkert aus der Erde Schranken Fleugt er auf zu seines Ahnherrn Thron,
Naht sich kühnen Schwungs und sonder Wanken, Fühlt sich ganz Apollons Sohn. Schon entschwindet seinem Blick die Erde, Ihn erreicht ihr trüber Dunst nicht mehr; Rascher treibt er jetzt die Sonnenpferde,
Ungeduldig schweift sein Aug’ umher. Götterodem glaubt er schon ihm wehen, Duftend von Ambrosia sein Haar, Achtet nur der lang’ ersehnten Höhen, Nicht der drohenden Gefahr. Doch die Rosse fühlen kaum den Wagen Leichter, merken den unkund’gen Muth, So beginnen sie erzürnt zu jagen, Unaufhaltsam treibt sie ihre Wuth Drohet bald der Götter hohe Sitze
Zu zerstören, aber bald auch droht Des verirrten Wagens nahe Hitze Tellus Untergang und Tod. Da erschrickt der Jüngling, und die Zügel Sinken aus des Todumringten Hand.
Und die Rosse schwingen hoch die Flügel Suchend ihr Olympisch Vaterland. Doch bald kehrt des Jünglings Kühnheit wieder, Und selbst in des Todes Angesicht Beuget nichts den hohen Geist danieder,
Selbst der Zorn der Götter nicht. „Vater, rief er, ja, mir wird zum Lohne Was du sprachst mit hoher Wissenschaft. Doch warum gabst du dem Göttersohne Göttermuth und nicht auch Götterkraft?
Aber auch der Tod in diesen Höhen Ist mir mehr als Tellus schönster Lohn, Ha Triumph! Erhöret ist mein Flehen – Und so sterbe Phaethon!“ Sprach’s. Da öfnet sich mit lautem Krachen
Des Olympos lichtumstrahltes Thor. Götterglanz, nicht anzuschaun dem Schwachen Bricht von Jovis goldnem Thron hervor. Schnaubend stürzen da die Sonnenpferde Abwärts, Donner rollt, ein Feuerguß
Trift den Jüngling, schleudert ihn zur Erde Tief in den Eridanus. GRIES.
Eingetragen am 08.11.2011 09:34:47 von 2rhyme
Autor: Johann Diederich Gries
Quelle: de.wikisource.org
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