An Deutschlands Frauen (Andere Gedichte)
An Deutschlands Frauen. 1826. Niemals waren Deutschlands Frauen Rührend schöner anzuschauen, Als in schlichter Wärtertracht. Haben nie in Männerherzen
Reiner Minne süsse Schmerzen Dauernd heisser angefacht. Mögt ihr jetzt im Putze prangen, Jungfrau’n, der das Roth der Wangen Ueberbietend grell verschlingt? –
Bunte Tücher, bunte Bänder Tragend, wie sie fremder Länder Thorheit euch zum Köder bringt? Denkt der Zeit, nicht lang verschwunden, Als aus tausend Todeswunden
Blut geliebter Brüder quoll, Da herbei ihr hülfreich eiltet, Zwischen Freund und Feind euch theiltet Pflegend, sorg – und liebevoll. Aehnlich ganz sind die Geschicke
Jenes Volkes, eurem Blicke Nur entrückt, am fernen Strand. – Gegen übermüth’ge Sieger, Kämpfen Gott vertraute Krieger Auch für Heerd und Vaterland. –
Anders doch, denn diese ringen, Wie aus Riesenwurmes Schlingen, Todes-wund sich schwer empor; Ihre Festen, wüste Trümmer, Banger Frauen Angstgewimmer
Hallend in der Streiter Chor. Kühne Heldenherzen schwellen Hinter Missolonghis Wällen[1] Mit Verderben rings bedroht, Hunger wüthet, gift’ge Wunden,
Pesthauch athmend, unverbunden, Grauser als der Schlachten Tod. Weiber, Greise, Kinder klagen, Wie von wildem Sturm verschlagen, Nakt auf öder Klippe Strand.
Karg von Gras und Kräutern lebend, Schwache Hände doch erhebend, Zum Gebet für’s Vaterland. Schrecklicher, wenn dort als Beute Junge Mütter, Kinder, Bräute,
Fühllos der Barbar entführt. Eins vom Andern roh geschieden, Wie am Markt die Käufer bieten, Die kein Jammer menschlich rührt. Fürstentochter, Königinnen! –
Frauen mit den zarten Sinnen, Nicht gewohnt an Noth und Schmerz, Könnt ihr dieses Bild ertragen? – Legt ihr nicht der Menschheit Klagen Weinend an der Gatten Herz? –
Gebt, zu lösen jene Banden, Ketten, schwer von Diamanten! Gebt die Perlenschnur im Kauf, Die am Schwanenhals sich schmieget. – Ach, der Perlen grösste wieget
Keine Mutterthräne auf. Rührend ist’s, wenn froh entbehrend, Kleines durch den Sinn verklärend, Armuth sich des Gebens freut: Von der höhern Noth durchdrungen,
Was der Mühe Schweiss errungen Dem bedrängten Bruder beut. Rührender, wenn in den Reichen, Wo die Erdensorgen schweigen, Mitgefühl die Brust bewegt:
Wenn ein heiliges Erbarmen Zu dem Scherflein frommer Armen Das geliebte Kleinod legt. Auf denn, edle deutsche Frauen, Bringt mit sanfter Zähren Thauen,
Opfer fremdem Unglück dar. Bruderlieb’ ist nicht beschränket, Wie es enge Selbstsucht denket: Gottes Welt ist ihr Altar.
Eingetragen am 08.11.2011 09:32:59 von 2rhyme
Autor: Amalie von Helvig
Quelle: de.wikisource.org
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