Der hypochondrische Pluto (Andere Gedichte)
Der grobe Schulz im Tartarus, Marks Pluto zubenamset, Der mit Abschied und Morgengruß, Monarchisch in dem Erebus,
Die Züchtlinge durchwamset, Verlor zum Fluchen seine Brust, Und fast zum Peitschen den Gelust. Sein Vita sedentaria Auf seinem eh’rnem Sessel
Erhizte seine Postera, Und hin und her und dort und da Stach’s ihn wie Salz und Nessel, Das heiße Wetter obendrein Kocht sein Geblüt zu Sulzen ein.
Zwar ward ihm mancher Sauerbronn Vom Flegeton geschöpfet, Und durch Skarifikazion, Blutigel, Venäsekzion Viel Blut ihm abgezäpfet.
Auch manch Klystier ward applizirt Auch offner Leib effektuirt. Sein Leibarzt, ein studirter Herr Mit knotigter Perüke, Argumentirte ohn Beschwer
Aus Hippokrat und Zelsus her Wo’s Ihro Gnaden spüke: „Gestrenger Schulz im Tartarus Sind Hämorrhoidarius!“ „„Und Er ist mir ein dummer Tropf
Samt seiner Pillenwaare! Ein Mann wie ich – wo steht sein Kopf? Ein junger Mann noch, Sauertopf! Im Frühling meiner Jahre! Komm er mir mit Latwergen nicht.
Der Kolben fliegt ihm ins Gesicht.““ Wol oder übel – wollt’ ers nicht Mit Ihr Gestreng verderben, (Weh dem der Fürstengunst zerbricht! Husch! fleischen ihm ins Angesicht
Die Splitter und die Scherben) Er schweigt wohlweislich – weil er muß, Das lernte sich – beim Zerberus. „Apolln den himmlischen Barbier Soll man herunter holen!“
Flugs tummelt schon sein flinkes Thier Vorbei am Mond ein Luftkourier Vorüber an den Polen; Punkt vier Uhr flog mit ihm der Rapp, Schlag fünf Uhr stieg er droben ab. So eben hatt’ Apoll – wie froh ! Gar ein Sonnet gedichtet? O pfuy doch! Nein! bei Mamsell Jo (Zum mindsten schwazt die Muse so) Hebammendienst verrichtet.
Ein Knäblein, wie in Wachs geprägt, Ward Vatern Zevs fürs Hauß gelegt. Der Gott durchlas den Höllenbrief Und stuzte drob nicht wenig, Der Weg ist weit, die Hölle tief,
Und ihre Felsen steil und schief – – – Doch zalt mich ja ein König! Frisch nimmt er Pelz und Nebelkapp, – Und durch die Lüfte strampft der Rapp. Die Loken à la mode gerollt,
Geglättet die Manschetten, Im Gallakleid von Spiegelgold (Ein Schmuk den ihm Aurora zollt) Mit kostbarn Uhrenketten Die Zähen auswärts, chapeau bas –
So stand er vor dem König da.
Zweites Buch. Der alte Murrkopf, wie bekannt, Bewillkommt ihn mit Flüchen: „Ey pak er sich ins Pommerland! Wie stinkt er doch nach Eau d’Lavande?
Eh möcht ich Schwefel riechen. Puh! schier’ er sich doch himmelan, Er stekt mir ja die Hölle an. Betroffen wich, wie angeblizt, Der Pillengott zurüke. – –
„Sind Seine Hoheit stets wie izt? Im Cerebello, merk ich, sizt Das Uebel – welche Blike! Wie rollen sie! wie flammt ihr Feu’r! Der Fall ist schlimm! der Rath ist theur!
Ein Reis’chen nach Elisium Wird die Infarktus schmelzen, Und freier in dem Zirkel um Durch Bauch und Kapitolium Die zähen Säfte wälzen.
Drum dächt’ ich unmaßgeblich so: Sie reisten – doch! incognito! –“ „Ja schöner Herr! ich glaubs ihm gern! Und wär nur hier zu Lande, Wie bei euch balsamirten Herrn,
Euch niedlichen Olympiern Faullenzen keine Schande. Und brauchte nur – ich folgte gleich! Kein Oberhaupt das Höllenreich. Ha! wär die Kaz zum Loch hinaus,
Die Mäuse möcht’ ich sehen! Sie liefen mir von Hof und Haus Und jagten meinen Mufti ’naus! Würd drauf und drunter gehen! Poz alle Donner! geh er mir!
Gewizigt bin ich für und für. Was wars nicht schon für ein Tumult Der Thürme eingeschmissen! Und wars denn damals meine Schuld, Daß meine Filosofen Pult
Und Ketten losgerissen? Wie? rissen erst Poeten los? Hilf Himmel! welch ein Ohrenstoß! Bei langem Tage schwazt sich viel! Mag wohl auf euren Bänken
Euch träg genug beim Lombrespiel Und Dudeldum und Federkiel Die Zeit vorüber hinken. Der Müssiggang beißt wie ein Floh Auf Sammetpolstern – wie auf Stroh.
Da weis vor ewger Langeweil Mein Bruder nichts zu treiben; Und zündelt mit dem Donnerkeil, Und schießt, ich hör’s ja am Geheul, Mit Wettern nach der Scheiben; Daß Rheas arme Schulter schwankt, Und mir für meine Hölle bangt. Großvater Cölus sollt’ ich seyn! Ich wollt mir Ruhe schaffen. Ihr müßtet mir in Leiber ’nein,
Und in den Windeln ay ay schreyn, Und durch fünf Fenster gaffen! Vorerst noch über meinen Strom, Und dann erst nach Elisium! – Nun denk ich sezt er sich zu Pferd,
Hoff’s, er wird mich begreifen; Auch ists vielleicht der Mühe werth, Er sagt was er izt angehört Dem Zevs beim Barteinsaifen. Er mache was er wolle draus!
Das jükt mich nicht in meinem Haus. Und damit kehrt der Herr zurük! Sein Servus! Gott befohlen! Man kann ihm – Halt ’n Augenblik! – Für seine Müh ein hübsches Stük Rothgüldenerz herholen. Mag droben doch was rares seyn, Wir Tartarer hofiren drein.““ –
Drittes Buch. Somit beurlaubt sich der Gott Mit kurzen Reverenzen.
Als plözlich durch die Höllenrott Hindurch sich riß ein Flügelbot. (Er kam von Tellus Gränzen) Monarch! Ein Arzt! ein Wundermann. Kommt hinterdrein – ich ritt voran.
Plaz für den fremden Praktikus! Er kommt mit Peitsch’ und Sporen. Nikt freundlich jedem seinen Gruß, Als wär’ er hier im Tartarus Erzogen und gebohren;
Freimüthig ohne Furcht und Grauß, Wie Britten in dem Unterhaus. „Gott grüß die Herren allesamt! So trift man hier zu Lande, Wohin, wer von Prometheus stammt,
Jedweden das Geschik verdammt, Noch trefliche Bekannte! Wer weis’t mich nach Elysen hin? Möcht gern die Brunnen springen sehn.“ „„Gemach! – der Fürwiz wird den Herrn
Doch nicht so hastig treiben, Er muß mir izt beim Siebenstern! Er muß mir ungern oder gern Noch ein Rezept verschreiben. Die Höll’ ist mein – Pluto mein Nam!
Heraus ’n mal mit seinem Kram!““ Mit einem scharfen Blike mißt Der Arzt den schwarzen Kaiser. Zwar riecht er nicht am gnädgen Mist, Beäugelt nicht was er gepißt,
(Auch würd’ er deß nicht weiser.) Durchdringend wie elektrisch Feu’r Erspäht sein Blik – das Ungeheu’r. „Monarch! Ich schenke dir die Beicht Der schlimmen Siebensachen.
So desperat der Rath dich däucht, So ist doch auch der Fall nicht leicht – Und Kinder fürchten Drachen. Ein Teufel frißt den andern! – kurz! Ein Weibchen - oder – Niesewurz!
Sie tändle oder keife nun, (Ich weiß von keinem Dritten) So jagt sie doch den Alp davon Der dich auf deinem Eisenthron Erbärmlich zugeritten.
Jagt frei und flink bergab zum Fuß Berg auf zum Kopf die Spiritus.“
Vivat der Doktor hochgelehrt, Der diesen Spruch thät fällen! Ein ewig Denkmal ist er werth
Darauf in Marmor, hoch zu Pferd, Von Phidias zu stellen. Ein Monument, das nie verdirbt, Wenn Hippokrat und Boerhaave stirbt. Kek nahen izt die Todte sich
Zum höllischen Monarchen – Der Frau Plutonin in die Küch Ein Lapperdan – macht gute Sprüch, Und fromme Aristarchen. Hieroben frommte der Gebrauch!
Juchhe! izt gilt er drunten auch!
P.
Eingetragen am 08.11.2011 09:33:15 von 2rhyme
Autor: Friedrich Schiller
Quelle: de.wikisource.org
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